Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über, sog. Gesamtrechtsnachfolge. Hierbei unterscheidet das BGB nicht zwischen analogem und digitalem Nachlass. Das Vermögen geht ungeteilt auf den Erben über, wodurch dieser in die Rechtspositionen des Erblassers eintritt (vgl. Grüneberg/Weidlich, § 1922 BGB, Rn 10).
1. Speichermedium, Daten, Dateninhalt
Zunächst erwirbt der Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unproblematisch das Eigentum an der Hardware (Desktop-Rechner, Laptop, Tablet) und an den Speichermedien (Datenträger, USB-Stick, usw.) des Erblassers. An den auf dem Speichermedium befindlichen Daten erwirbt der Erbe hingegen kein Eigentum. Elektronische Daten sind als solche keine Sachen, da ihnen die für den Sachbegriff kennzeichnende abgrenzbare Körperlichkeit fehlt, wodurch es kein Dateneigentum und auch keinen Datenbesitz geben kann (OLG Brandenburg, Urt. v. 6.11.2019 – 4 U 123/19, NJW-RR 2020, 54; LG Essen, Urt. v. 6.1.2022 – 6 O 314/21, BeckRS 2022, 650; Müko-BGB/Stresemann, § 90 Rn 25). Daher wird in der juristischen Literatur zwischen dem Recht am jeweiligen Speichermedium und den auf ihm verkörperten Daten, den Dateien (sog. Zeichenebene), auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Recht an den durch die Daten verkörperten Gedankengut, den Inhalten (sog. Bedeutungsebene), unterschieden (MAH ErbR/Scherer/Biermann, § 50 Rn 8; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, § 1 Rn 27).
Die auf dem Speichermedium befindlichen Dateien (Zeichenebene) teilen das Schicksal des Speichermediums, wodurch zumindest das aus dem Eigentum folgende Recht auf Nutzung des Datenträgers sowie der Zugriff auf die dort gespeicherten Dateien auf die Erben übergeht (vgl. Herzog/Pruns, a.a.O., § 2 Rn 6). Der Erbe kann über die Dateien verfügen, wodurch er beispielsweise über die Löschung oder Veränderung der Dateien bestimmen sowie die in den Dateien verkörperten Inhalte einsehen kann (vgl. Herzog/Pruns, a.a.O., § 2 Rn 29).
Die jeweiligen Dateninhalte (Bedeutungsebene) können Gegenstand eigener Rechte sein, beispielsweise Persönlichkeits-, Datenschutz- oder Immaterialgüterrechte. Der Erbe hat für die Vererbbarkeit hier zu prüfen, wer Inhaber dieser Rechtspositionen ist. War der Erblasser Inhaber dieser Rechtsposition, geht diese auf den Erben über (Förster/Fast, ZAP 2022, 227 ff. mit Beispielen).
2. Vertragsbeziehungen
Die schuldrechtlichen Verträge, die der Erblasser im Internet geschlossen hat, einschließlich der Ansprüche und Verbindlichkeiten gehen grundsätzlich mit dem Tod auf den Erben über. Der Erbe tritt in die vertragliche Rechtsstellung mit sämtlichen Rechten und Pflichten ein. Dies hat der BGH nach dem o.g. Grundsatzurteil bestätigt und die Rechte der Erben gestärkt. Entsprechend geht beim Tod eines Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über (BGH, Urt. v. 12.7.2018 – III ZR 183/17, ZEV 2018, 582, 583). Im Einzelfall kann die Vererbbarkeit aber vertraglich oder durch das Wesen des Vertrages ausgeschlossen sein. Inwieweit beispielsweise die Vererbbarkeit eines Kontozugangsrechts durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden kann, wird unter III. dargestellt.
3. Nutzungsrechte
Der Erblasser kann auch digitale Daten in Form von Filmen, Musik, E-Books oder Software (u.a. Musik- und Sprachwerke) zur eigenen Nutzung herunterladen. Bei der Vererbbarkeit solcher Daten ist zu unterscheiden.
In den wenigsten Fällen wird der Erblasser originär das Eigentum erworben haben. Vielmehr wird er beispielsweise im Rahmen einer Endnutzer-Lizenzvereinbarung (sog. Eula) häufig ein einfaches Nutzungsrecht (Lizenz) erwerben (vgl. Außner, ErbR 2021, 280, 282 m.w.N.). So enthalten beispielsweise die Nutzungsbedingungen von Amazon Prime Video folgende Klausel ( https://www.primevideo.com/help?nodeId=202095490&language=de_DE&view-type=content-only ):
Zitat
Vorbehaltlich der Zahlung von Leih-, Kauf- oder Zugangsgebühren für Digitale Inhalte sowie vorbehaltlich Ihres Einverständnisses mit allen Bedingungen dieser Vereinbarung gewährt Ihnen Amazon für die Dauer des vereinbarten Nutzungszeitraums eine einfache, nicht übertragbare, nicht unterlizenzierbare, eingeschränkte Lizenz, die Digitalen Inhalte gem. den Nutzungsregeln für persönliche, nicht kommerzielle, private Zwecke zu nutzen.
Entsprechend wird der Erblasser i.d.R. nicht Eigentümer. Die Daten sind meist an die Benutzerkonten gebunden, wodurch er lediglich ein einfaches Nutzungsrecht zum privaten Gebrauch erwirbt. Dieses Nutzungsrecht kann zu Lebzeiten grundsätzlich nur mit Zustimmung des Urhebers übertragen werden (vgl. § 34 Abs. 1 UrhG). In den meisten Fällen wird die Übertragung aber bereits in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen sein, wobei dieser Ausschluss als dingliche Verfügungsbeschränkung gegenüber jedermann wirkt (OLG Hamburg, Beschl. v. 4.12.2014 – 10 U 5/11, GRUR-RR 2015, 361; Außner, 2021, a.a.O., 280, 283). Ob die Vererbbarkeit durch eine solche Klausel ausgeschlossen werden kann, bleibt vor...