Die Zulässigkeit der Streitverkündung auch im selbständigen Beweisverfahren ist seit Langem geklärt (BGH, Urt. v. 9.12.1996 – VII ZR 108/95, BGHZ 134, 190). In der Praxis, gerade auch im Bauprozess, spielt sie eine erhebliche Rolle:

  • Die Rechtsfolge auf prozessualem Gebiet: Die Interventionswirkung nach §§ 72, 68 ZPO. Sie bewirkt, dass der Streitverkündete an das Ergebnis der Beweisaufnahme im nachfolgenden Prozess gebunden ist.
  • Die materiell-rechtliche Wirkung: Früher Unterbrechung und jetzt Hemmung der Verjährung gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 6 BGB.
 

Hinweis:

Beide Wirkungen treten grundsätzlich nur bei einer zulässigen Streitverkündung ein (BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 143/06, m. Anm. Reinelt jurisPR BGHZivilR 3/2008, Anm. 4).

Hinsichtlich der prozessualen Wirkung ist allerdings eine Einschränkung zu machen: Auch wenn die Streitverkündung unzulässig ist, der Streitverkündete aber beitritt, unterliegt er nach § 68 ZPO der Interventionswirkung. Insoweit kann die Streitverkündung bei Unzulässigkeit ausnahmsweise auch prozessuale Wirkung entfalten, niemals aber die materiell-rechtliche Folge der Verjährungshemmung.

Da die Zulässigkeit der Streitverkündung, von der ihre Wirkungen abhängen, erst im Regressprozess geklärt wird, steht der Streitverkünder oft vor der schwierigen Frage, ob seine Streitverkündung die von ihm beabsichtigten Wirkungen erzielen wird. Er muss das aus einer Ex-Ante-Sicht beurteilen, was der Richter erst im Regressprozess feststellen wird. Maßgebend dafür ist § 72 Abs. 1 ZPO. Danach hängt die Zulässigkeit der Streitverkündung davon ab, dass eine Partei nach ihrer – subjektiven, aber nachvollziehbaren – Prüfung im Zeitpunkt der beabsichtigten Streitverkündung vertretbar zu dem Ergebnis kommen kann, im Falle eines Unterliegens im Rechtsstreit (und nur dann!) einen Anspruch gegen einen Dritten haben zu können.

Diese für den Streitverkünder enorm wichtige Prognose ist schwierig. Richtet sie sich nach der subjektiven Einschätzung oder nach objektiven Kriterien, deren Maßgeblichkeit erst später festgestellt werden kann? Gerade weil die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Streitverkündung von einer ungewissen Feststellung ex ante abhängen, sollten die Zulässigkeitsvoraussetzungen eindeutig definiert sein. Eine Ausweitung der Streitverkündung auf analoge Anwendungen des § 72 Abs. 1 ZPO, die die Rechtsprechung seit längerer Zeit favorisiert, stellt das in Frage.

Die Rechtsprechung hat folgende These entwickelt: Auch wenn der Ausgang des Rechtsstreits für die Haftung des Dritten irrelevant ist, jedoch im Verfahren gegen ihn (ggf. durch entsprechende Beweise) Feststellungen getroffen werden können, die im Regressprozess für einen Dritten von Bedeutung sein können, soll in bestimmten Fällen in analoger Anwendung des § 72 ZPO (auch ohne Erfüllung der Abhängigkeitsvoraussetzungen) eine Streitverkündung zulässig sein (so auch bereits die Literatur, bspw. Schultes in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Auflage, § 72 Rn. 9, 12). Es geht hier um Fälle einer nicht nur rechtlichen, sondern tatsächlichen Alternativität, ggf. auch um alternative Haftungsereignisse, also nicht nur die unterschiedliche rechtliche Bewertung eines Vorgangs. Verantwortlich ist von vornherein ein anderer Schädiger aus einem anderen Rechtsgrund und vielleicht auch einem anderen Haftungsereignis als demjenigen, aus dem der ursprüngliche Prozessgegner in Anspruch genommen wird.

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