I. Vorbemerkung
Das Bußgeldverfahren spielt in der Praxis eine große Rolle, vor allem, wenn es um straßenverkehrsrechtliche Ahndungen geht. Daher sollen die nachfolgenden Ausführungen einen groben Überblick über das Bußgeldverfahren geben. Die Ausführungen befassen sich nur mit dem eigentlichen Bußgeldverfahren; die materiellen Fragen und die im OWiG geregelten Ordnungswidrigkeiten (§§ 111 ff. OWiG) werden in einem nachfolgenden Beitrag gesondert behandelt.
II. Gegenstand des Bußgeldverfahrens
Gegenstand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens, das im OWiG geregelt ist, sind rechtswidrige und vorwerfbare Verstöße gegen die durch Verwaltungsvorschriften geschaffene öffentliche Ordnung. Verwirklicht werden muss der Tatbestand eines Gesetzes, dass die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG). Anders als im Strafverfahren geht es nicht um moralisches Unrecht, sondern um "Verwaltungsunrecht". Darum heißt der "Angeklagte" des Bußgeldverfahrens auch neutraler (nur) "Betroffener" und erhält bei Verstößen keine Strafe, sondern i.d.R. eine Geldbuße.
Die Gesetze, in denen Ordnungswidrigkeitenverfahren geregelt sind, sind vielfältig. Sie reichen vom (Hauptanwendungsfall) Straßenverkehr mit StVG und StVO und Nebengesetzen, wie z.B. FahrpersonalVO, über den Immissionsschutz, den Datenschutz bis zum Steuerrecht. Im Grunde sind in jedem Gesetz, das Verwaltungsrecht beinhaltet, auch Ordnungswidrigkeitentatbestände geregelt, deren Verfolgung sich nach dem OWiG richtet.
III. Verfahrensprinzipien/Zuständigkeiten
1. Verfahrensprinzipien
Während im Strafverfahren nach den §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1, 163 Abs. StPO das sog. Legalitätsprinzip gilt, also grundsätzlich ein Verfolgungszwang besteht, von dem nur die §§ 153 ff. StPO und die Privatklagedelikte eine Ausnahme machen, gilt im Bußgeldverfahren nach den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 1 S. 1 OWiG das sog. Opportunitätsprinzip, das eine Verfolgung in das pflichtgemäße Ermessen der Verfolgungsbehörde stellt. Die Einstellung des Verfahrens durch das Gericht ist in § 47 Abs. 2 OWiG geregelt (vgl. auch unten III. 3.).
2. Zuständigkeiten
Die Zuständigkeiten sind im OWiG wie folgt geregelt:
- Die Verfolgungszuständigkeit liegt gem. § 35 Abs. 1 OWiG grundsätzlich bei der Verwaltungsbehörde, teilweise aber auch bei der Staatsanwaltschaft bzw. dem Richter.
- Die sog. Ahndungszuständigkeit liegt gem. § 35 Abs. 2 OWiG ebenfalls bei der Verwaltungsbehörde, soweit nicht gem. § 45 OWiG das Gericht berufen ist.
- Die sachliche Zuständigkeit der (jeweiligen) Verwaltungsbehörde folgt aus § 36 OWiG. Zuständig ist die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) bzw. mangels einer solchen Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 OWiG die fachlich zuständige oberste Landesbehörde oder das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird.
- Die örtliche Zuständigkeit regeln die §§ 37, 38 OWiG im Wesentlichen dahin, dass die Verwaltungsbehörde örtlich zuständig ist, in deren Bezirk die Ordnungswidrigkeit begangen oder entdeckt worden ist oder der Betroffene zur Zeit der Einleitung des Bußgeldverfahrens seinen Wohnsitz hat. Dies entspricht den §§ 7 ff. StPO.
- Fällt die Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammen, ist nach § 40 OWiG die Staatsanwaltschaft auch für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständig. Nach § 41 OWiG kann die Verwaltungsbehörde, wenn der Verdacht auf eine Straftat besteht, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben. Stellt die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren ein, bleiben aber Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit bestehen, kann das Verfahren nach § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben werden.
- Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gehen gem. § 69 OWiG die Aufgaben der Verfolgungsbehörde auf die Staatsanwaltschaft über.
IV. Allgemeine Verfahrensvorschriften
1. Anwendbarkeit der Grundsätze/Vorschriften der StPO (§ 46 OWiG)
Nach § 46 Abs. 1 OWiG gelten im Bußgeldverfahren grundsätzlich die Vorschriften über das Strafverfahren, also die der StPO, des GVG und des JGG entsprechend (vgl. dazu Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 3078 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff/Bearbeiter, OWi]). Die Verfolgungsbehörde hat, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten (§ 46 Abs. 2 OWiG). Nach § 53 Abs. 2 OWiG können Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (zum Begriff Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1954 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]) – i.d.R. nur bei Gefahr im Verzug – nach den für sie geltenden Vorschriften der StPO auch Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Untersuchungen und andere Maßnahmen anordnen.
Unzulässig sind im Bußgeldverfahren folgende Eingriffe/Zwangsmaßnahmen:
2. Akteneinsichtsrecht (§ 49 OWiG)
a) Allgemeines
Ebenso wie de...