In der Praxis ist aufgrund der oben geschilderten Probleme im Zusammenhang mit mehreren Besitzern einer vermieteten Wohnung der Rechtsbehelf des § 940a Abs. 2 ZPO für die anwaltliche Beratungspraxis von entscheidender Bedeutung.
Wohnungen können durch den Vermieter – wie bereits mehrfach erwähnt – nur dann zwangsgeräumt werden, wenn ein Räumungstitel gegen alle Besitzer vorliegt, die nicht bereit sind, freiwillig zu räumen (BGH, Beschl. v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, NJW 2004, 3041). Das gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch im Fall der Besitzüberlassung zur Vollstreckungsvereitelung (BGH, Beschl. v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, NJW 2008, 3287).
Um dem Vermieter insb. bei Fällen von Rechtsmissbrauch im beschriebenen Sinne eine effektive Durchsetzung seines Räumungsanspruchs zu ermöglichen, wurde vom Gesetzgeber § 940a Abs. 2 ZPO geschaffen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, einem Missbrauch des Mieters vorzubeugen, der sich gegen die Räumung dadurch zu wehren versucht, dass er die Wohnung einem oder mehreren Dritten (bedingt vorsätzlich) überlässt, der mangels Kenntnis des Vermieters nicht mit verklagt werden konnte und deshalb im Räumungstitel nicht aufgeführt wird (Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/10485, S. 34).
Dem Vermieter soll es ermöglicht werden, im Wege der einstweiligen Verfügung einen Räumungstitel gegen den (weiteren) Besitzer zu erlangen, weil die Anspruchsprüfung i.d.R. "reine Formsache" sei (so explizit die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 17/10485, S. 34).
1. Die Voraussetzungen einer Räumungsregelungsverfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO
§ 940a Abs. 2 ZPO ermöglicht eine vereinfachte Erstreckung der Vollstreckbarkeit des gegen den Mieter ergangenen Räumungstitels auf besitzende Dritte. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen (Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund) ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen – anders als bei normalen einstweiligen Verfügungen – entbehrlich.
a) Anwendbarkeit nur auf Wohnraummietverhältnisse
Es muss ein Wohnraummietverhältnis vorliegen, bei Mischmietverhältnissen kommt es nach allgemeinen Grundsätzen auf den Schwerpunkt des Vertragszwecks an (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 535 BGB Rn 107 ff.). Nach vorzugswürdiger und wohl h.M. ist § 940a Abs. 2 ZPO bei Vorliegen eines Gewerbemietverhältnisses weder direkt noch analog anwendbar. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von § 940a Abs. 2 ZPO und dessen Überschrift "Räumung von Wohnraum" (KG Berlin, Beschl. v. 5.9.2013 – 8 W 64/13, NJW 2013, 3588; OLG Celle, Beschl. v. 24.11.2014 – 2 W 237/14, NJW 2015, 711; Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 940a ZPO Rn 7; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940a ZPO Rn 4m.w.N. auch zur Gegenauffassung).
b) Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrunds
Da auch die Räumungsregelungsverfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO eine einstweilige Verfügung darstellt, muss ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund gegeben sein, mithin müssen die Voraussetzungen von § 940 ZPO inzident mit geprüft werden (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 940a ZPO Rn 16 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Anders als bei normalen einstweiligen Verfügungen gilt bei § 940a Abs. 2 ZPO hingegen, dass bei Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund die Räumungsverfügung zu erlassen ist und dem Tatrichter kein Ermessensspielraum zusteht (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 940a ZPO Rn 16 u. 51).
c) Verfügungsanspruch
Der Verfügungsanspruch ist der materielle Anspruch, dessen Durchsetzung durch einstweilige Verfügung gesichert werden soll. In der Praxis sind dies regelmäßig die Ansprüche auf Räumung und Herausgabe aus § 546 Abs. 2 BGB, aber auch §§ 985, 812 BGB (Wendt, Die einstweilige Räumungsverfügung des § 940a Abs. 2 ZPO, 2015, S. 106). Auch wenn den Dritten inhaltlich nicht dieselben Rückgabepflichten wie den Mieter treffen, hat er jedenfalls die Wohnung zu räumen. Nach richtiger Auffassung gilt § 940a Abs. 2 ZPO auch für den Herausgabeanspruch aus §§ 985, 986 BGB, da die Herausgabe (= Aufgabe jeglichen Besitzes) als Minus gegenüber der Räumung (zusätzlich: Entfernung von Gegenständen und Einrichtungen) anzusehen ist (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 940a ZPO Rn 19).
d) Verfügungsgrund
Das Tatbestandserfordernis der Unkenntnis des Vermieters von der Inbesitznahme der Wohnung durch den Dritten bzw. der Kenntnis hiervon erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung des Räumungsrechtsstreits gegen den Hauptmieter, beinhaltet bereits den erforderlichen Verfügungsgrund, der vermieterseits glaubhaft zu machen ist. Einer zusätzlichen Glaubhaftmachung eines wesentlichen Nachteils des Vermieters, wie es bei einer Regelungsverfügung nach § 940 ZPO regelmäßig erforderlich ist, bedarf es gerade nicht, da ein "anderer Grund" i.S.v. § 940 Alt. 3 ZPO vorliegt (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 940a ZPO Rn 20).
Dem gesetzgeberischen Willen, das einstweilige Verfügungsverfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO "anstelle eines zeitaufwendigen Hauptsacheverfahrens" treten zu lassen (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/10485, S. 34) kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass der Vermieter nicht noch zusätzlich glaubhaft machen muss, dass sein Vermögensnachteil durch die Vorenthaltung der Wohnung stärker wiegt als der Besitzentzug...