Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf nur dann angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, der Angeklagte werde durch die Behandlung geheilt oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang bewahrt und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abgehalten werden, § 64 S. 2 StGB.
Diese hinreichend konkrete Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums der Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die dafür sprechen, dass es zumindest innerhalb eines erheblichen Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird. Einer sicheren oder unbedingten Gewähr des Behandlungserfolgs bedarf es aber nicht (BGH, Beschl. v. 14.8.2019 – 4 StR 147/19).
Hinweis:
Die frühere Streitfrage, ob ein voraussichtlicher Therapiebedarf von mehr als zwei Jahren der Anordnung der Maßregel entgegensteht, hat sich durch die Änderung des § 64 StGB zum 1.8.2016 erledigt. Seither verweist die Vorschrift ausdrücklich auf § 67d Abs. 1 S. 1 oder S. 3 StGB, sodass für die Behandlung auch ein längerer Zeitraum zur Verfügung stehen kann (Fischer, § 64 Rn 19a).
a) Positive Faktoren
Für eine Erfolgsaussicht kann insb. sprechen, dass der Angeklagte sich der negativen Folgen seiner Sucht bewusst ist und in der Vergangenheit keine gescheiterten Therapieversuche unternommen wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 372). Gleiches gilt für eine zwischenzeitlich eingetretene Abstinenz (S/S/Kinzig, § 64 Rn 17). Auch eine ausdrücklich erklärte Therapiebereitschaft kann für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechen (BGH NStZ-RR 2010, 307).
Erklärt der Angeklagte dagegen umgekehrt, er sei zu einer Mitwirkung bei der Behandlung nicht bereit, steht dies der Annahme einer Erfolgsaussicht nicht zwingend entgegen. Vielmehr hat das Tatgericht in diesen Fällen zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Bereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung während der Therapie geweckt werden kann (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 2013, 239). Die Anordnung der Unterbringung soll grds. nicht vom Therapiewillen des Betroffenen abhängen (BGH NStZ 2017, 107). Allerdings kann eine mangelnde Therapiemotivation im Einzelfall durchaus ein Indiz für eine fehlende Erfolgschance sein (S/S/Kinzig, § 64 Rn 16), insb. wenn zu einer kategorischen Weigerung des Angeklagten, sich therapieren zu lassen, die auf ein Sachverständigengutachten gestützte Erkenntnis, auch der Vorwegvollzug einer Freiheitsstrafe werde eine Therapiebereitschaft nicht hervorrufen können, hinzukommt (BGH NStZ-RR 2014, 213).
Hinweis:
Die Behauptung, man sei zu einer Maßnahme nach § 64 StGB nicht bereit, erweckt beim BGH meist ein nicht unerhebliches Misstrauen, insb. wenn zugleich erklärt wird, dass man stattdessen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG offen gegenüberstehe. Offensichtlich wittern die Senate hier, und damit dürften sie häufig richtig liegen, eine Umgehung des Vorrangs der Unterbringung. Nicht zuletzt deshalb akzeptiert es der BGH nicht, wenn ein Gericht einerseits die Erfolgsaussicht i.S.d. § 64 S. 2 StGB verneint und andererseits im Urteil die Zustimmung zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG erteilt (BGH, Beschl. v. 9.10.2019 – 4 StR 367/19). Mit einer solchen Zustimmung bejahe der Tatrichter der Sache nach nicht nur den Hang des Angeklagten, sondern auch die Symptomatizität, sodass zwingend die weiteren Voraussetzungen der – vorrangigen – Unterbringung gem. § 64 StGB zu prüfen seien (BGH, Beschl. v. 1.10.2019 – 2 StR 108/19).
b) Negative Faktoren
Gegen eine hinreichende Erfolgsaussicht werden in der Praxis oftmals insb. frühere Behandlungsversuche und, v.a. bei ausländischen Tätern, Sprachprobleme angeführt.
aa) Frühere Behandlungen/Rückfall
Hat der Angeklagte in der Vergangenheit mehrere Therapien abgebrochen oder wurde er nach erfolgreichen Behandlungen immer wieder alsbald rückfällig, spricht dies gegen die Erfolgsaussicht einer nochmaligen Behandlung (vgl. BGH NJW 2014, 1978).
Hinweis:
Gerade in solchen Fällen dürfen die Erfolgsaussichten im Urteil nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Vielmehr bedarf die Anordnung der Unterbringung im Gegenteil dann einer besonders eingehenden Begründung, wenn mehrere prognoseungünstige Umstände (langjährige Drogenabhängigkeit, mehrere erfolglose Langzeittherapien, fehlender sozialer Empfangsraum, berufliche Perspektivlosigkeit) vorliegen (BGH NStZ-RR 2018, 13). Die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung genügt nicht (BGH NStZ-RR 2018, 275).
Ein Automatismus dahingehend, dass frühere erfolglose Therapieversuche hinreichenden Erfolgsaussichten einer abermaligen Behandlung zwingend entgegenstehen, existiert jedoch nicht. Auch ein Rückfall steht für sich allein der (ggf. abermaligen) Anordnung der Unterbringung nicht zwingend entgegen, insb. wenn zwei stationäre Entwöhnungsmaßnahmen in der Vergangenheit jedenfalls dazu geführt haben, dass der Ange...