I. Verwaltungsakt
Üblicherweise werden sieben Arten des Verwaltungshandelns unterschieden:
- Verwaltungsakt,
- Rechtsnorm,
- Verwaltungsvorschrift,
- verwaltungsinterne Einzelweisung (häufig im Sozialrecht und Bauplanungsrecht),
- öffentlich-rechtlicher Vertrag,
- faktisches Verwaltungshandeln, z.B. faktische Duldung einer von einem Bebauungsplan abweichenden Entwicklung (VG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.2020 – 9 L 2067/20, juris Rn 34) und
- privatrechtliches Verwaltungshandeln.
Für den anwaltlichen Alltag sind neben dem Verwaltungsakt und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag v.a. in Zeiten der Pandemie auch Verwaltungsvorschriften von zentraler Bedeutung. Die Lehre vom Verwaltungsakt geht zurück auf Otto Mayer (1846–1924), der Ende des vorletzten Jahrhunderts die dogmatischen Grundlagen dazu vom französischen Verwaltungsrecht ausgehend entwickelt hat. Geregelt ist der Verwaltungsakt in den §§ 35 ff. VwVfG; die Verwaltungsverfahrensgesetze der Bundesländer stimmen damit weitgehend überein. In der Abgabenordnung (AO) ist der Verwaltungsakt in den §§ 118 ff. und im SGB X in den §§ 31 ff. geregelt.
Beispiel:
Bei Feststellung einer übertragbaren Krankheit ist die zuständige Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten zum Handeln verpflichtet, in diesem Fall auf der Grundlage der CoronaVSonderV TH 3 i.d.F. v. 2.2.2021 (Thüringer OVG, Beschl. v. 18.2.2021 – 3 EN 67/21, juris Rn 52).
1. Definition und Arten eines Verwaltungsakts
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft, § 35 VwVfG.
Obwohl es keinen numerus clausus von Verwaltungsakten gibt, werden üblicherweise folgende Arten unterschieden:
- Einzelverfügung,
- Allgemeinverfügung,
- sachbezogene Allgemeinverfügung,
- mehrstufiger, mitwirkungsbedürftiger, begünstigender, belastender, gestaltender oder feststellender Verwaltungsakt,
- Verwaltungsakt mit Drittwirkung und
- Dauerverwaltungsakt.
Wenngleich in der Verwaltungspraxis Verwaltungsakte nicht als solche benannt werden, ist es sinnvoll, nach der Art zu differenzieren, da das Verfahren und die Art und Weise der Bekanntmachung abweichen können.
Hinweis:
Für Allgemeinverfügungen gelten Sonderregeln in Bezug auf Anhörung, Begründung und Bekanntgabe, etwa für Verordnungen nach dem IfSG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.1.2021 – 1 S 308/21, juris Rn 19).
Beispiel (Anspruch auf sofortige Coronavirus-Schutzimpfung):
Die persönliche Einladung zu impfender Personen ist Teil der Organisation der Erbringung der Schutzimpfung (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 CoronaImpfV), insb. Teil der Organisation der Terminvergabe (vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 CoronaImpfV) ohne Verwaltungsaktqualität (wegen fehlender Regelungswirkung, Anm. des Verfassers; VG Berlin, Beschl. v. 29.1.2021 – 14 L 33/21, juris Rn 12).
2. Form und Bekanntgabe
Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 37 Abs. 1 VwVfG) und kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden (Abs. 2). Er muss die erlassende Behörde erkennen lassen und eine Unterschrift enthalten (Abs. 3). Soweit der Verwaltungsakt angefochten werden kann, ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich (Abs. 6). Detaillierte Regelungen zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts enthält § 41 VwVfG.
Beispiel:
Eine unter bestimmten Vorbehalten erteilte Einstellungszusage mittels einfacher E-Mail bindet den Dienstherrn nicht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.3.2021 – 4 S 13/21, juris Rn 6, 8).
Für die anwaltliche Praxis ist besonders die Zugangsfiktion des Abs. 2 im Auge zu behalten: Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Eine fehlerhafte Zustellung führt zu einer unwirksamen Bekanntgabe. Der Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, § 43 Abs. 2 VwVfG.
Hinweise:
Die Zugangsfiktion (hier des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X) greift nicht, wenn sich den Verwaltungsakten kein Vermerk dazu entnehmen lässt, wann ein Bescheid zur Post gegeben worden ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.1.2021 – L 18 AS 1572/18, juris Rn 21).
Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines Verwaltungsakts, wenn dieser im Verwaltungsverfahren sowohl an den Betroffenen selbst als auch an seinen Bevollmächtigten zugestellt wurde und wenn keine schriftliche Vollmacht vorgelegt worden ist (Art. 8 Abs. 1 S. 2 VwZVG): Es gibt keine Regelung, wonach mit einer weiteren Zustellung an einen Bevollmächtigten der Fri...