Die Betriebsschließungsversicherung hatte bislang in der Praxis kaum eine Bedeutung. Literatur und Rechtsprechung gibt es in dieser Sparte kaum.
Nach den Musterbedingungen zur Betriebsschließungsversicherung (BS-AVB) ist der Versicherer eintrittspflichtig, wenn eine Behörde einen Betrieb zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern schließen lässt. Verwiesen wird auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG), in dem die Krankheiten und Krankheitserreger enumerativ aufgezählt werden. Die Covid-Pandemie hat sich verbreitet, nachdem das Infektionsschutzgesetz bereits erlassen war, und fand somit keinen Eingang in dieses Gesetz und damit in den Versicherungsschutz bei behördlich angeordneter Betriebsschließung.
Die Rechtsprechung hatte eine Vielzahl von Deckungsklagen zu bewältigen, die überwiegend erfolglos waren. Unterschiedliche Versicherungsbedingungen bedurften der Auslegung. Wenn sich aus diesen Bedingungen ergab, dass die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Krankheitserreger abschließend vereinbart wurden, bestand kein Versicherungsschutz, bei Formulierungen „insbesondere” oder „beispielsweise” war der Versicherer leistungspflichtig.
Der BGH hat im Urt. v. 26.1.2022 (IV ZR 144/21, VersR 2022, 312) ausgeführt, dass die Verweisung auf die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Krankheitserreger abschließend ist. Dies gilt auch dann, wenn es in den Bedingungen heißt, dass der Verweis auf die im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger „namentlich” erfolgt. Der BGH vertritt die Auffassung, dass das Adverb „namentlich” kein Synonym für die Adverbien „insbesondere”, „allen”, „beispielsweise” oder „hauptsächlich” sei. Schließlich ergibt sich aus dieser BGH-Entscheidung, dass die Beschränkung auf die im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger keine Benachteiligung des Versicherungsnehmers gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle.
Das Unbehagen über die Deckungslücke ist verständlich, da der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgeht, dass jede von einer Behörde angeordnete Betriebsschließung zum Versicherungsfall führt. Das IfSG, welches den Versicherungsschutz bei behördlicher Betriebsschließung weiterhin einschränkt, ist dem Versicherungsnehmer unbekannt.
Sinnvoll in dieser Sparte wäre somit eine Allgefahrendeckung, die Versicherungsschutz für jede behördlich angeordnete Betriebsschließung gewährt. Das Risiko der Versicherer würde hierdurch zwar vergrößert, dürfte jedoch durch eine Prämienerhöhung ausgeglichen werden können. Denkbar wäre auch eine Vorsorgeversicherung, die wir aus der Haftpflichtversicherung kennen. Auch hier könnte durch Prämienanpassung vereinbart werden, dass Versicherungsschutz auch für Versicherungsfälle zu gewähren ist, die ein Jahr nach der letzten Prämienzahlung entstanden sind.
Zwischenzeitlich ist der Katalog der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im IfSG durch die Krankheit Covid-19 ergänzt worden. Es stellt sich nunmehr die Frage, ob für den Versicherungsschutz das IfSG bei Vertragsschluss heranzuziehen ist oder in der jeweils aktuellen Fassung.
ZAP F., S. 363–363