Die Einwendungsfrist des Mieters aus § 556 Abs. 3 S. 5 BGB beginnt erst zu laufen, wenn dem Mieter eine formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung zugegangen ist (BGH, Beschl. v. 15.3.2011 – VIII ZR 243/10, WuM 2011, 281; BGH, Urt. v. 8.12.2010 – VIII ZR 27/10, NJW 2011, 1867). Formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nur dann, wenn sie folgende fünf Voraussetzungen erfüllt (BGH, Urt. v. 17.11.2004 – VIII ZR 115/04, NZM 2005, 13; Schmidt/Futterer/Lehmann-Richter, § 556 BGB Rn 338):
- Die Zusammenfassung der Gesamtkosten;
- die Angabe und ggf. Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel;
- die Berechnung des Anteils des Mieters;
- den Abzug der Vorauszahlungen des Mieters;
- die gedankliche und rechnerische Verständigkeit aus Sicht eines durchschnittlichen verständigen und weder juristisch noch betriebswirtschaftlich geschulten Mieters.
Dies gilt jedoch nicht für eine zwar formal ordnungsgemäße Abrechnung, bei der aber vermieterseits bewusst falsche Angaben eingefügt wurden; auch eine solche Alibi-Abrechnung wahrt die Frist nicht (LG Bonn, Urt. v. 8.1.2015 – 6 S 138/14, WuM 2015, 358; Staudinger/Artz, § 556 BGB Rn 108b). Für die Fristwahrung hingegen nicht erforderlich ist, dass der Vermieter zeitgleich alle korrespondierenden Belege mit vorlegt (LG Aachen, Urt. v. 23.7.2009 – 2 S 50/09, BeckRS 2009, 21752; Staudinger/Artz, § 556 BGB Rn 108). Für die Fristwahrung trägt der Vermieter in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast (AG Duisburg-Ruhrort, Urt. v. 7.2.2002 – 9 C 281/01 A, BeckRS 2002, 15268; Staudinger/Artz, § 556 BGB Rn 108; i.E. auch Müko-BGB/Zehelein, § 556 BGB Rn 47).
a) Konkrete Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit einer Betriebskostenabrechnung
Nach neuerer BGH-Rechtsprechung dürften jedoch keine allzu strengen Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit einer Betriebskostenabrechnung gestellt werden: Erforderlich, aber auch ausreichend soll es sein, wenn der Mieter die Betriebskostenabrechnung inhaltlich nachvollziehen und überprüfen kann, wobei die Angabe von Einzelbeträgen für die verschiedenen Kostenarten ausreichend sein soll, wenn der Mieter mit einem einfachen Rechenschritt die Summen ermitteln kann (BGH, Beschl. v. 25.4.2017 – VIII ZR 237/16, WuM 2017, 402).
Sind die abgerechneten Positionen also in verständlicher, mithin formell ordnungsgemäßer Form in die Abrechnung eingestellt, betrifft die Frage, ob sie dem Ansatz nach oder der Höhe nach zu Recht bestehen oder ob sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, nur noch die inhaltliche (sprich materielle) Richtigkeit der Abrechnung, wobei solche inhaltlichen Fehler auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist korrigiert werden können (BGH, Urt. vom 25.11.2009 – VIII ZR 322/08, NZM 2010, 315).
b) Die Rechtsfolgen einer fehlenden, formell rechtmäßigen Betriebskostenabrechnung
Der Vermieter kann auch bei Fehlen einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung die monatlichen Vorauszahlungen des Mieters auf die Betriebskosten einfordern, da rechtliche Grundlage hierfür nicht die Betriebskostenabrechnung als solche, sondern die mietvertragliche Regelung über die Tragung der Betriebskosten ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Mietverhältnis beendet ist und auch nach Ablauf der Abrechnungsfrist aus § 556 Abs. 3 S. 2 BGB keine formell wirksame Betriebskostenabrechnung vorliegt bzw. dem Mieter zugegangen ist. In diesem Fall steht dem Mieter nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ein vorläufiger Anspruch auf Rückzahlung der zu viel geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen zu, der sich im Wege ergänzender Auslegung aus dem Mietvertrag ergibt (BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 57/04, NZM 2005, S. 373, 374; BGH, Urt. v. 29.3.2006 – VIII ZR 191/05, NZM 2006, 533., vgl. auch LG Detmold, Urt. v. 26.12.2011 – 10 S 204/10, BeckRS 2012, 21714). Der Mieter kann also bei einem beendeten Mietverhältnis die Vorauszahlungen, über die der Vermieter nicht fristgemäß abgerechnet hat, ohne den zeitraubenden Umweg über eine (Stufen-)Klage gem. § 254 ZPO auf Erteilung der Abrechnung sogleich, wenn auch nur vorläufig, zurückverlangen. Diese ergänzende Vertragsauslegung beruht auf der Überlegung, dass der Vermieter sonst in der Lage wäre, die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern, sodass die Abrechnungsfrist ohne praktische Bedeutung bliebe (vgl. BGH, a.a.O.).
Dem Mieter kann ein solcher vorläufiger Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen nur insoweit zugebilligt werden, als er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 Abs. 1 BGB an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen (BGH, Urt. v. 26.9.2012 – VIII ZR 315/11, NJW 2012, 3508).
Praxishinweis:
Für die Rechtsberatung ist in diesem Zusammenhang wichtig zu beachten, dass es sich bei einem solchen Anspruch des Mieters nur um einen vorläufigen Anspruch handelt, der bei Zugang einer formell wirksamen Betriebskostenabrechnung beim Mieter erlischt, wobei diese auch erst nach Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 1 BGB erstellt werden kan...