1 Neuregelungen im April
In den vergangenen Wochen ist wieder eine Reihe von Neuregelungen in Kraft getreten. Sie betreffen das Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen und das Betriebsende der deutschen Atomkraftwerke. Verwaltungsgerichtsverfahren für große Infrastrukturprojekte werden beschleunigt und Vereinssitzungen können künftig ohne Bestimmung in der Satzung auch hybrid oder virtuell stattfinden. Im Einzelnen:
Corona-Schutzmaßnahmen
Mit dem 7. April sind auch die letzten Corona-Schutzmaßnahmen entfallen. Seitdem muss auch beim Besuch von Krankenhäusern oder Pflegeheimen keine FFP2-Maske mehr getragen werden. Außerdem ist die Coronavirus-Einreise-Verordnung entfallen.
Stilllegung der letzten Kernkraftwerke
Zum 15. April dieses Jahres sind die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen worden. Die eigentlich schon für das Jahresende 2022 geplante Abschaltung war auf Mitte April verschoben worden, um Engpässen in der Energieversorgung vorzubeugen. Damit die Versorgung auch im kommenden Winter gesichert ist, bezieht Deutschland nun vermehrt Gas aus Nordwesteuropa.
Beschleunigung von Infrastrukturprojekten
Große Planungsvorhaben sollen künftig schneller verwirklicht werden. Aus diesem Grund wurden u.a. jetzt die Gerichtsverfahren zu großen Infrastrukturprojekten gestrafft: Leiden die Planungen an „klar korrigierbaren Mängeln”, sollen sie im Bereich der erneuerbaren Energien, des Ausbaus von Gas- und Stromleitungen sowie von Flüssiggasterminals oder des Schienennetzes von etwaigen Gerichtsverfahren nicht mehr so lange aufgehalten werden können wie bisher.
Virtuelle Vereinssitzungen
Hybride und virtuelle Vereinssitzungen waren schon nach bisherigem Recht möglich. Allerdings war dafür i.d.R. eine entsprechende Bestimmung in der Vereinssatzung notwendig. Diese Notwendigkeit ist jetzt mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht weggefallen. Noch in Vorbereitung ist hingegen eine Regelung, nach der solche hybriden bzw. virtuellen Veranstaltungen auch im Kammerrecht etabliert werden sollen. Damit könnten bald z.B. im Bereich der Justiz auch die regionalen Notar- und Rechtsanwaltskammern, die Bundesnotarkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Patentanwaltskammer und die Bundessteuerberaterkammer ihre Kammerversammlungen und Hauptversammlungen online oder in hybrider Form abhalten. Wie im Vereinsrecht wird damit auch hier eine Sonderregelung verstetigt, die bereits während der Corona-Pandemie befristet geschaffen worden war, um die Arbeitsfähigkeit dieser Gremien zu gewährleisten.
[Quelle: Bundesregierung]
2 BMJ schwächt Entwurf zu Videodokumentationen ab
Nach heftiger Kritik an dem Gesetzentwurf zu Videoaufzeichnungen im Strafprozess hat Bundesjustizminister Marco Buschmann einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt. Darin ist jetzt nur noch die Tonaufzeichnung zwingend vorgesehen, die Videoaufzeichnung dagegen nicht mehr.
Der ursprüngliche, im November vergangenen Jahres vorgelegte Entwurf für ein „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung” sah noch vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln (vgl. dazu näher Anwaltsmagazin ZAP 2022, 1254). Während die Anwaltschaft sich positiv zu den Plänen äußerte, kam vehemente Kritik von Seiten der Justiz. Richterschaft und Staatsanwälte bemängelten, Zeugen und Sachverständige könnten sich durch die verpflichtende audiovisuelle Aufzeichnung des Verfahrens verunsichert und eingeschüchtert fühlen; zudem befürchteten sie, dass es in Zukunft vermehrt zu „Beweisaufnahmen über die Beweisaufnahme” kommen könnte (s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 2023, 258).
Die Kritik aus der Justiz hat ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Wie der Bundesjustizminister Anfang April erklärte, hat sein Ministerium drei Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen:
- Erstens wird u.a. klargestellt, dass der BGH, das oberste Revisionsgericht, nicht zu einer Tatsacheninstanz werden kann.
- Zweitens sollen die Länder die Verpflichtung zur flächendeckenden Aufzeichnung der Hauptverhandlungen bei den Staatsschutzsenaten erst zum 1.1.2028 umsetzen müssen und nicht bereits Anfang 2026. Bei den Landgerichten bleibt es jedoch bei dem „Einführungskorridor” bis zum 1.1.2030.
- Drittens nimmt das BMJ die Kapazitätsprobleme der IT-Abteilungen der Justizbehörden ernst, die argumentiert hatten, bis Anfang 2026 noch stark mit der flächendeckenden elektronischen Akte beschäftigt zu sein. In dem überarbeiteten Entwurf ist jetzt vorgesehen, nur die Tonspur und die Transkription der Aufzeichnung verpflichtend zu machen und den Ländern die Entscheidung über die Einführung der Videoaufzeichnung als Option zu überlassen.
Gegenüber der Presse erläuterte Buschmann, dass er die Hoffnung hat, dass einige Länder trotz der Abschwächung des Entwurfs vorangehen werden und Pilotprojekte auch zur Videoaufzeichnung starten. Bund und Länder müssten bei der Digitalisierung der Justiz insgesamt schneller vor...