In der vor Kurzem erschienenen 6. Auflage des in der Praxis seit Langem eingeführten Buchs hat Norbert Schneider die bewährte Konzeption des Werks, die Berechnung der anwaltlichen Vergütung anhand von praxisgerechten Beispielsfällen darzustellen, fortgeführt. Die Neuauflage enthält über 2.340 Beispielsberechnungen, während in der Erstauflage „nur” 1.000 Beispiele aufgeführt waren. Dieser Umstand belegt die hervorragende Entwicklung, die das Werk innerhalb weniger Jahre genommen hat. In der 6. Auflage hat Schneider selbstverständlich die Änderungen des Gebührenrechts durch das KostRÄndG 2021 und weiterer Gesetze berücksichtigt, sodass das Werk auf aktuellstem Stand ist. In der Einleitung (§ 1) stellt Schneider dar, wie bei einer ordnungsgemäßen Abrechnung vorzugehen ist. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vergütungsberechnung werden in § 2 behandelt. Die §§ 3 und 4 enthalten die Vergütungsansprüche des gerichtlich beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts. Mit der Anrechnungsvorschrift des § 15a RVG befasst sich Schneider in § 5. Dort werden auch die durch § 15a Abs. 2 RVG veranlassten Probleme der Kostenerstattung behandelt. Die nachfolgenden Kapitel des Werks enthalten die Beispielsberechnungen für einzelne Tätigkeitsbereiche des Rechtsanwalts. Dies beginnt bei der Beratung, Gutachtenerstattung und Mediation (§ 6), geht weiter mit der Abrechnung der außergerichtlichen Vertretung (§ 8), wird dann mit der Beratungshilfe (§ 10) und dem Mahnverfahren (§ 11) fortgesetzt und geht in den §§ 13 ff. betreffend die Abrechnung in bürgerlichen Rechtstreitigkeiten einschließlich verschiedener Verfahrenssituationen weiter. In der Praxis bereitet die Abrechnung der Anwaltsvergütung im Falle der Einbeziehung nicht oder anderweitig anhängiger Ansprüche in einem Rechtsstreit vielfach Schwierigkeiten. Unter § 13 Rn 240 ff. behandelt der Autor praktisch alle vorkommenden Fallgestaltungen zu diesem Problemkreis anhand einer Vielzahl von Beispielen. Die Abrechnung des Verkehrsanwalts stellt Schneider unter § 20 Rn 7 ff. anhand von mehreren Beispielsberechnungen dar. Noch ausführlicher behandelt der Autor die Abrechnung der Vergütung des Terminsvertreters und des Hauptbevollmächtigten in § 20 Rn 51 ff. mit rund 50 Beispielsberechnungen. Nicht von allen Gerichten, insb. nicht von Obergerichten, wird die Auffassung Schneiders unter § 20 Rn 59 geteilt, der Hauptbevollmächtigte, der den Terminsvertreter im eigenen Namen beauftragt hat, könne dessen (vereinbarte) Vergütung dem Auftraggeber als Auslage i.S.v. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG berechnen (dagegen vor Kurzem OLG München AGS 2022, 448 [Hansens]; OLG Dresden AGS 2023, 75 [Hansens]). Selbstverständlich wird auch die Anwaltsvergütung in Beschwerde- und Erinnerungsverfahren (§ 21), in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 26), in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (§ 27) und in Familiensachen (§ 28) mit vielen, vielen Beispielsberechnungen behandelt. Weitere Beispiele für die Anwaltsvergütung i.R.d. Zwangsvollstreckung (§ 33) und Zwangsversteigerung (§ 34) folgen. Die Vergütung in Straf- und Bußgeldsachen wird ausgiebig in den §§ 35, 36 behandelt. Abschließend geht Schneider auf die Auslagen (§ 38), auf Hebegebühren (§ 39) und das Übergangsrecht (§ 40) ein. Die über 2.340 Beispielberechnungen lassen wohl keine in der Anwaltspraxis auftretende Abrechnungsfrage offen. Es wird schwerfallen, eine Fallgestaltung zu finden, die der Autor in seinem Werk nicht behandelt hat. Soweit geboten, stellt Schneider bei streitigen Berechnungsfragen auch die jeweils vertretenen verschiedenen Auffassungen mit Rechtsprechungsnachweisen zusammen. Beispielhaft wird hier auf die bisher sehr umstrittene und von dem Autor unter § 31 Rn 135 erörterte Frage verwiesen, ob die Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines einfachen schriftlichen Vergleichs anfällt oder ob es sich um einen gerichtlich vorgeschlagenen bzw. bestätigten Vergleich handeln muss (s. hierzu LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 455 [Hansens]). Zutreffend weist Schneider darauf hin, dass sich dieser Streit durch die im KostRÄndG 2021 vorgenommene Neufassung von Abs. 1 S. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG erledigt hat. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob diese Neufassung auch auf Altfälle anzuwenden ist.
Fazit: Die jetzt in 6. Auflage erschienenen „Fälle und Lösungen zum RVG” decken praktisch jede denkbare Fallgestaltung ab. Wer sich an den Berechnungsbeispielen Schneiders orientiert, kann in der Praxis nichts falsch machen. Deshalb kann das Werk Rechtsanwälten und deren Mitarbeitern, den Mitarbeitern von Gerichten und Behörden sowie den Richtern, die mit dem anwaltlichem Vergütungsrecht zu tun haben, wärmstens empfohlen werden.
Heinz Hansens, VorsRiLG a.D., Berlin
ZAP F., S. 371–380