Eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Arzneimittelmissbrauchs nach Nr. 9.4 der Anlage 4 der FeV (hier: Medizinal-Cannabis) setzt voraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde einen regelmäßig übermäßigen Gebrauch des psychoaktiv wirkenden Arzneimittels beweiskräftig belegen kann. Wird eine Fahrungeeignetheit festgestellt, so ist grds. von deren Fortbestand auszugehen, solange nicht vom Betroffenen der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erbracht worden ist (VGH Baden-Württemberg NJW 2023, 465).

Die Anordnung eines MPU-Gutachtens gem. § 2a Abs. 5 S. 5 StVG ist nur dann möglich, wenn dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden ist. Auf Fälle eines vorherigen Verzichts der Fahrerlaubnis ist die Vorschrift weder im Wege einer erweiternden Auslegung noch im Wege der Analogie anwendbar (OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2022, 3373 = DAR 2023, 101 m. Anm. Dronkovic = VRR 12/2023, 29 [Burhoff]). Gegen einen Ausnahmefall, der die im Regelfall aus § 2a Abs. 5 S. 5 StVG resultierende Pflicht der Fahrerlaubnisbehörde, die Beibringung eines MPU-Gutachtens anzuordnen, entfallen lässt, kann auch sprechen, dass ein Fahranfänger, der nach Erteilung einer Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a StVG eine schwerwiegende Verkehrszuwiderhandlung begangen hat, sich über einen längeren Zeitraum einer postalischen Erreichbarkeit unter seiner Meldeadresse entzieht (VGH Baden-Württemberg NJW 2022, 3589 = DAR 2023, 168 m. Anm. Kalus = NZV 2023, 141 [Hühnermann]).

Die rechtskräftige Ahndung der zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeiten ist, wie sich aus § 4 Abs. 2 S. 3 StVG ergibt, tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen von Punkten und damit für das Ergreifen von Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 S. 1 StVG. Dafür trägt die Fahrerlaubnisbehörde nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast. Den Eintragungen im Fahreignungsregister kommt keine Tatbestandswirkung in dem Sinn zu, dass Behörden und Gerichte an den vom KBA mitgeteilten Inhalt der Entscheidungen gebunden wären. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit einer Eintragung, muss dem daher nachgegangen werden und eine fehlerhafte Eintragung ggf. unberücksichtigt bleiben. Es obliegt dem Betroffenen i.d.R. substantiiert und unter Angabe von Tatsachen und Beweismitteln vorzutragen, wenn er das Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung gegen eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem einwenden will (BayVGH zfs 2023, 175). Eine Aussetzung des Verwaltungsstreitverfahrens bis zur Erledigung eines Strafverfahrens gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 149 Abs. 1 ZPO mit Blick auf den Vorrang strafrechtlicher Entscheidungen nach § 3 Abs. 4 S. 1 StVG ist grds. zulässig (OVG Thüringen NJW 2023, 237).

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