Unechter Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung
Dem BAG (Beschl. v. 13.8.2014 – 2 AZR 871/12) lag zur Streitwertfestsetzung ein Urteil des LAG vor, das die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung feststellte und die Klage im Übrigen – hinsichtlich der begehrten Feststellung der Unwirksamkeit auch einer ordentlichen Kündigung und des unechten Hilfsantrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung – abgewiesen hatte.
Der Wert des Streitgegenstands richtet sich (vor dem BAG) allein nach dem Wert des Kündigungsschutzantrags, der nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG dem Arbeitsentgelt des Klägers für die Dauer eines Vierteljahres entspricht. Der Antrag, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen hat den Streitwert nicht erhöht. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist, als unechter Hilfsantrag, nicht zur Entscheidung angefallen. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch nur zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Dies gilt auch für einen unechten Hilfsantrag. Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gilt insoweit gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Rechtsanwaltsgebühren. Die maßgeblichen Gegenstände für Gerichtsgebühren und für die anwaltliche Tätigkeit fallen nicht auseinander.
Danach kann der Hilfsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung beim Streitwert nicht berücksichtigt werden. Über diesen Antrag ist nicht entschieden worden. Er würde sich in der Revisionsinstanz im Übrigen mit einer Beendigung des Kündigungsrechtsstreits objektiv erledigen und dem Senat – weil durch diese Beendigung auflösend bedingt – schon deshalb nicht zur Entscheidung anfallen.
Der Hilfsantrag erhöht im Streitfall auch den Wert des gerichtlichen Vergleichs nicht. Nach § 45 Abs. 4 GKG gilt zwar bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich Abs. 1 S. 2 der Bestimmung entsprechend, durch den Vergleich vom 20.2.2014 ist über den Hilfsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung aber selbst sinngemäß nicht "entschieden" worden. Allein die Parteien haben sich auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung geeinigt. Damit fehlt es selbst an der einer Entscheidung über den Antrag entsprechenden Situation. Ob sich dann, wenn das LAG über den Hilfsantrag positiv entschieden hätte, aus § 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 GKG etwas anderes ergäbe, kann hier dahinstehen.
Hinweise:
- Vor dem BAG kann der unechte Hilfsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht zur Entscheidung anfallen – wenn und weil endgültig entschieden wird.
- Ein Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einem Urteil, welches den Weiterbeschäftigungsantrag abweisend beschieden hat, erfüllt den Tatbestand des § 45 Abs. 4 GKG nicht.
- Das LAG Baden-Württemberg hat mit zwei Beschlüssen vom 30.12.2015 (5 Ta 71/15 und 5 Ta 82/15) seine Rechtsprechung zum Streitwert des Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung entsprechend der vorstehende BAG Rechtsprechung geändert: Ein eventualkumulierter allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag und ein unmittelbar vom streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängiger Annahmeverzugsanspruch wirken sich nur streitwerterhöhend aus, soweit eine Entscheidung über sie ergeht oder sie in einem Vergleich sachlich mit geregelt werden.
Autoren: Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach
ZAP 9/2016, S. 481 – 500