Klagt eine Gemeinde gegen die Verlängerung eines Bauvorbescheids, die unter Zulassung einer Ausnahme von einer Veränderungssperre und unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt worden ist, stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit der Rechtmäßigkeit des Bescheids abzustellen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG beurteilt sich die Frage, ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt, nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwGE 34, 155, 157 f., 120, 246, 250).
Nach dem Urteil des BVerwG vom 9.8.2016 (4 C 5.15, DVBl 2016, 1543 ff. = BauR 2017, 96 ff. = ZfBR 2017, 62 ff.) ist bei der Klage einer Gemeinde gegen eine Genehmigung, die unter Ersetzung des nach § 14 Abs. 2 S. 2 BauGB erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids abzustellen; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen müssten unberücksichtigt bleiben. Dabei nimmt das BVerwG auf seine zu § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB ergangene Rechtsprechung Bezug. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige Behörde das nach § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB erforderliche Einvernehmen ersetzen, wenn es von der Gemeinde rechtswidrig verweigert worden ist. Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB genannten Gründen versagen dürfe, seien die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen (BVerwGE 137, 247 Rn 32). Für diese Prüfung sei maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen Bescheids abzustellen. Erweise sich danach die Ersetzung als rechtswidrig, habe die Anfechtungsklage der Gemeinde Erfolg.
Hinweis:
Ob der Bauherr im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat, ist dagegen irrelevant. Denn der Gesetzgeber hat in dem Konflikt zwischen Planungshoheit und Baufreiheit eine eindeutige Regelung getroffen, derzufolge – gegen den Willen der Gemeinde in den Fällen des § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB bis zu einer gerichtlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens auf die Verpflichtungsklage des Bauherrn hin – keine Baugenehmigung erteilt werden darf.