Im Auswahlverfahren ergeben sich für den Dienstherrn aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verschiedene Verpflichtungen, mit denen Ansprüche der unterlegenen Bewerber korrespondieren.
1. Dokumentationspflicht
Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind verpflichtet, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Diese Pflicht folgt aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Sie gilt damit sowohl für Beamte als auch für Arbeiter und Angestellte.
Die schriftliche Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen ist einerseits geboten, um den unterlegenen Bewerber in die Lage zu versetzen, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Auswahlentscheidung bestehen. Andererseits eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (BVerfG, Beschl. v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178). Der Dienstherr ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil (s. dazu unten IV. 5.) festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Nur so kann eine Auswahlentscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG gerichtlich überprüft werden (BAG, Urt. v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295; BAG, Urt. v. 7.4.2011 – 8 AZR 679/09, NZA-RR 2011, 494).
Hinweis:
Ein dem späteren Konkurrentenklageverfahren vorgelagertes Auswahlverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert. Das wäre dann der Fall, wenn der unterlegene Bewerber keine oder nur eine lückenhafte Kenntnis über die Auswahlgründe hätte. Er könnte nicht sachgerecht darüber entscheiden, ob er die Auswahlentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll.
Das Dokumentationsgebot ist für die Transparenz der Auswahlentscheidung unverzichtbar. Es ist für eine Konkurrentenklage zwingende Voraussetzung zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, denn nur die schriftliche Dokumentation gewährleistet eine gleiche und zuverlässige Information. Sie stellt sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind. Sie ermöglicht zudem eine Selbstkontrolle des Auswählenden (vgl. BAG, Urt. v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 Rn 42 ff.; BAG, Urt. v. 17.8.2010 – 9 AZR 347/09, BAGE 135, 213 Rn 26; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.8.2015 – 2 SaGa 5/15).
2. Mitteilungspflicht
Der Dienstherr muss den unterlegenen Bewerbern die negative Auswahlentscheidung mitteilen und weiter darauf hinweisen, dass demnächst der erfolgreiche Konkurrent ernannt werden wird.
Praxishinweis:
Die Mitteilungspflicht kann bei mehrstufigen Auswahlverfahren mehrfach entstehen. Gerade bei einem großen Bewerberkreis kommt es in der Praxis zu fehlerhaften bzw. unterlassenen Mitteilungen. Entscheidend ist, wann der Bewerber ausgeschieden ist und ob er in diesem Verfahrensabschnitt eine Mitteilung erhalten hat.
3. Wartepflicht
Nach der Zustellung der Mitteilung muss mit der Ernennung angemessene Zeit gewartet werden. Als angemessen wird in der Rechtsprechung ein Zeitraum von zwei Wochen angenommen (BVerwGE 138, 102). Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, darf der Dienstherr die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen (BVerwG, Urt. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 118, 370). Hat der Dienstherr in der abschließenden Beschwerdeinstanz des einstweiligen Anordnungsverfahrens vor dem OVG obsiegt, muss er nochmals angemessene Zeit mit der Ernennung zuwarten, um dem unterlegenen Bewerber Gelegenheit zu geben, zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs das BVerfG anzurufen.
Nach der Kammerrechtsprechung des BVerfG gewährleisten Art. 19 Abs. 4 S. 1, 33 Abs. 2 GG auch die Möglichkeit, eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG zu erwirken oder Verfassungsbeschwerde zu erheben. Nimmt der Dienstherr dem unterlegenen Bewerber diese Möglichkeit, indem er den ausgewählten Bewerber vor Ablauf einer angemessenen Wartefrist ernennt, so verhindert er die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerwG, Urt. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 118, 370 Rn 34 f.). Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz muss nach der Ernennung nachgeholt werden. Der Dienstherr kann sich nicht auf die Ämterstabilität berufen, um Verletzungen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu decken. Ansonsten hätte er es in der Hand, die Grundrechte unterlegener Bewerber durch vorzeitige Ernennungen auszuschalten (BVerwG, Urt. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 118, 370 Rn 37).
4. Abbruch des Auswahlverfahrens
Nicht selten wird ein Auswahlverfahren beendet, bevor es zu einer Entscheidung gekommen ist. Der Dienstherr hat in diesem Zusammenhang weitreichende Möglichkeiten. Allerdings darf dabei eine durchaus in Einzelfällen denkbare Manipulationsmöglichkeit nicht übersehen werden, etwa wenn aus Sicht des Dienstherrn der oder di...