I. Allgemeines
Wirtschaftlich steht die Brauereiindustrie und das Gastronomiegeschäft nicht im Zentrum öffentlicher Beachtung wie die Automobil- oder die Digitalindustrie. Aber die Gastronomie erwirtschaftete 2018 (vor der Pandemie) 59 Milliarden EUR Umsatz und beschäftigte 1,12 Mio. sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter ( https://de.statista.com/statistik/daten/studie/275512/umfrage/umsatz-der-gastronomie-in-deutschland/, Zugriff am 1.3.2021). Die deutschen Brauereien erzielten 2019 8,34 Milliarden EUR Umsatz mit knapp 30.000 Mitarbeiter ( https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158578/umfrage/beschaeftige-in-der-brauwirtschaft-in-deutschland/, Zugriff am 1.3.2021). Den rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Teils der Wirtschaft gebührt daher eine angemessene Aufmerksamkeit. Das gilt erst recht in Zeiten der Pandemie, auf die auch rechtlich zu reagieren ist.
Das Brauerei- und Getränkelieferungsrecht ist ein Rechtsgebiet, das nicht zu den klassischen Teilbereichen gehört, in die das Recht üblicherweise gegliedert wird. Aber es führt als Querschnittsmaterie in alle wesentlichen Bereiche des privaten und öffentlichen Wirtschaftsrechts. Deren Weiterentwicklung ist insgesamt von Interesse, weil Erkenntnisse aus dieser Rechtsprechung auch für andere Rechtsgebiete relevant sind.
II. Vertragsrecht
Aufgepasst bei der Einhaltung der Schriftform, wenn eine GbR beteiligt ist! Wenn nicht alle GbR-Gesellschafter die Erklärung unterschreiben, sondern ein Gesellschafter auch die anderen GbR-Gesellschafter vertritt, muss dies kenntlich gemacht werden, § 164 Abs. 2 BGB. Es ist also entweder im Rubrum des Vertrags oder mit einem Unterschriftenzusatz das Vertretungsverhältnis für die GbR anzugeben. Praktischerweise reicht der entsprechende Firmenstempel zur Unterschrift, um hier die Schriftform einzuhalten (BGH, Urt. v. 6.11.2020 – LwZR 5/19).
In Bierlieferungsverträgen sind häufig Mindestabnahmemengen vereinbart, z.B. 80 hl p.a. auf zehn Jahre = 800 hl. Ein Gastwirt erfüllte diese Abnahmeverpflichtung vier Jahre nicht. Die Brauerei machte Schadensersatz statt der Leistung geltend, ohne eine Nachfrist zu setzen, § 281 Abs. 1 BGB. Der Wirt meinte, theoretisch könne er die offenen Mengen noch in der Restlaufzeit des Vertrags absetzen, sodass zumindest die Nachfrist hätte gesetzt werden müssen. Das verneinte das Gericht: Da das jeweilige Vertragsjahr abgelaufen sei, ist diesbezüglich Unmöglichkeit eingetreten, § 275 Abs. 1 BGB, und eine Nachfrist deswegen entbehrlich (OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 – 19 U 24/13, BB 2014, 1236). Die relevante Abnahmepflicht bezieht sich folglich auf die jährliche Teil-Abnahmemenge von 80 hl und nicht auf die Gesamtmenge des Vertrags.
Darlehen in der Pandemie: Können Gastronomen die laufende Bedienung von Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen aussetzen, weil wegen der pandemiebedingten Schließungen der Betriebe die dafür erforderlichen Betriebseinnahmen ausfallen? Art. 240 EGBGB ist als pandemiebedingte befristete Moratoriumsregel für Dauerschuldverhältnisse 2020 eingeführt worden. Art. 240 § 3 EGBGB behandelt konkret die Darlehensverträge – allerdings nur die Verbraucherdarlehen. (Klein-)Gewerbetreibende kommen somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Art. 240 § 1 Abs. 1, 2 EGBGB, der ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht für Dauerschuldverhältnisse vorsieht, schließt grds. auch Kleinstgewerbetreibende mit ein. Aber in Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB ist diese Möglichkeit eines Moratoriums für Darlehen an Kleinstgewerbetreibenden explizit ausgeschlossen. Art. 240 § 7 EGBGB erklärt § 313 BGB, der eine Vertragsanpassung wegen einer unerwarteten Änderung der Geschäftsgrundlage vorsieht, nur für Miet- und Pachtverträge ausdrücklich anwendbar. Eine vergleichbare Regelung für Darlehensverträge fehlt in Art. 240 EGBGB. Das heißt aber nicht, dass § 313 BGB grds. für Darlehen nicht anwendbar ist. § 313 BGB sieht vor, dass jedes Dauerschuldverhältnis angepasst werden kann, wenn sich die Geschäftsgrundlage des Vertrags so geändert hat, dass ein weiteres Festhalten an den ursprünglichen Konditionen nicht mehr zumutbar ist. Diese Vorschrift des Allgemeinen Schuldrechts gilt generell für alle Dauerschuldverhältnisse. Das bezieht auch Darlehen mit ein (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., München 2018, § 313 Rn 7). Wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB bei einem Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag wegen der Pandemie vorliegen, wäre auch ein Anspruch auf Vertragsanpassung für den Gastronomen denkbar. Rechtsprechung dazu ist nicht ersichtlich. Aber die Übersicht zu Gerichtsentscheidungen zur Anpassung gastronomischer Miet- und Pachtverträge (s.u. III.) gibt Anhaltspunkte, welche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vertragsanpassung erfüllt sein müssen. Das dürfte auch dort gelten, wo statt eines Darlehens eine andere Art der Gegenleistung für den Getränkebezug vereinbart wurde.
Hinweis:
Gastwirte sollten nicht nur eine Aussetzung/Suspendierung der Darlehenszinsen und -tilgungen anstreben, sondern auch die der su...