Das BSG hat am 30.4.2020 (B 8 SO 12/18 R) entschieden, dass Vermögen, das aus Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz angespart wurde, bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII) nur eingeschränkt einzusetzen ist (s. hierzu Schäfer-Kuczynski FD-SozVR 2020, 433140).
Die 1989 geborene Klägerin bezog seit 2012 eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Sie beantragte zusätzlich Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beim Sozialhilfeträger. Dieser lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin zunächst das aus der Opferentschädigung angesparte Vermögen i.H.v. 19.804,34 EUR aufbrauchen müsse. Erst wenn ihr Vermögen den sog. kleinen Barbetrag i.H.v. 2.600 EUR nicht mehr überschreite, kämen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Betracht. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass ihr Vermögen auch nach Änderung von § 25f Abs. 1 BVG wegen Vorliegens einer besonderen Härte geschützt sei.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII erhält nur, wer hilfebedürftig ist (§§ 19 Abs. 2 S. 2, 41 Abs. 1 SGB XII). Dies hat unter anderem zur Folge, dass die antragstellende Person grds. ihr Vermögen zunächst verwerten muss. Etwas anderes gilt nur bei sog. Schonvermögen nach § 90 Abs. 2, 3 SGB XII.
Das Sparvermögen aus der Opferentschädigung war nicht nach § 90 Abs. 2 Nr. 1–8 SGB XII verschont. Es überstieg insb. den im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebenden Freibetrag i.H.v. 2.600 EUR (seit 1.4.2017: 5.000 EUR) nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 der DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
Das BSG verneinte dennoch die Berücksichtigung des Vermögens, weil es nach § 90 Abs. 3 SGB XII wegen Vorliegens einer Härte nicht eingesetzt werden musste. Danachdarf die Sozialhilfe „nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, (...) eine Härte bedeuten würde.”
Beim Begriff der Härte muss nach der Urteilsbegründung der Zusammenhang mit den Tatbeständen in § 90 Abs. 2 SGB XII gesehen werden. Der leistungsberechtigten Person müsse ein gewisser Spielraum in der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben (so schon BSG, Urt. v. 11.12.2007 – B 8/9b SO 20/06 R). Es müsse eine atypische Fallgestaltung vorliegen, „die mit den Regelbeispielen in § 90 Abs. 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen” (im Anschluss an BSG, a.a.O., und BVerwG, Urt. v. 26.1.1966 – V C 88.64, BVerwGE 23, 149, 158 f.). Besondere zu einer Härte führende Umstände könnten sich aus der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastung des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen ergeben (BSG, a.a.O.). Die Herkunft wirke sich ausnahmsweise bei der Beurteilung der Härte aus, wenn der Zweck der Nichtanrechnung des Einkommens, bei der Berücksichtigung des hieraus angesparten Vermögens fortbesteht (BSG, Urt. v. 11.12.2007 – B 8/9b SO 20/06 R), z.B. bei einer Nachzahlung von Beschädigtengrundrente nach dem OEG (BVerwG, Urt. v. 27.5.2010 – 5 C 7/09, BVerwG E 137, 85 Rn 23 ff.).
Fraglich war, wie sich die Änderung von § 25f BVG durch das Gesetzes vom 20.6.2011 (BGBl I, S. 1114) im Bereich der Sozialhilfe auswirkt. Mit dieser reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BVerwG. Sie bewirkte, dass angesparte Leistungen nach dem BVG für den laufenden Lebensunterhalt einzusetzen sind, wenn keine besondere Härte vorliegt (§ 25f Abs. 1 S. 2 BVG). Nachzahlungen werden ersten Jahr nach der Auszahlung nicht berücksichtigt (§ 25f Abs. 1 S. 5 BVG). Das BSG verlangte, dass die erheblich höheren Vermögensfreibeträge nach dem BVG bei der Auslegung von § 90 Abs. 3 SGB XII berücksichtigt werden (s. Rn 21 der Urteilsgründe). Eine Nachzahlung ist deshalb im ersten Jahr nach ihrer Auszahlung nicht zu berücksichtigen. Außerdem gelten die Freibeträge nach § 25 Abs. 2 und 4 BVG auch in der Sozialhilfe. Bei Vorliegen einer Härte ist ein höherer Freibetrag zu gewähren. Dies gilt nach den Ausführungen der Urteilsbegründung gerade für Kinder und Jugendliche, wenn das Vermögen für eine angemessene Lebensführung im Erwachsenenalter oder für den Ausgleich schädigungsbedingter erst im Erwachsenenalter auftretender Mehraufwendungen angespart wurde (s. Rn 22 der Urteilsgründe).
Das BSG verwies das Verfahren an das LSG zurück. Dieses muss den Zweck der Ansparung im zu entscheidenden Fall klären und feststellen, ob die weiteren Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.