Zu entscheiden war über folgenden Sachverhalt: Nachdem der beklagte Leistungsträger dem Kläger ab Januar 2008 verschiedene Eingliederungshilfeleistungen nach dem sechsten Kapitel des SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung gewährt hatte – die Nachfolgeregelung findet sich seit dem 1.1.2020 in §§ 90 ff. SGB IX – gewährte er ab September 2012 ein Persönliches Budget (PB) i.H.v. monatlich 7.750 EUR als „Hilfe zum selbstbestimmten Leben in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX – hier: Haushalt der Eltern”.

 

Hinweis:

Das PB ist keine eigenständige, insb. keine zusätzliche Leistung der Eingliederungshilfe; diese soll die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern, eine individuelle Lebensführung ermöglichen und zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensplanung und -führung befähigen (s. § 90 Abs. 1 SGB IX).

Das PB beinhaltet vielmehr eine andere Form der Leistungserbringung. Die Leistung wird statt der Sach- oder Dienstleistung als Geldleistung erbracht. Damit kommt ein PB nur in Betracht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Sach- oder Dienstleistung erfüllt sind. Ein Anspruch auf ein PB ergibt sich im Übrigen nicht unmittelbar aus § 29 SGB IX, sondern nur dadurch, dass in dem für den Leistungsträger maßgebenden Leistungsgesetz auf diese Vorschrift verwiesen wird, z.B. bei der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in § 105 Abs. 4 SGB IX.

In dem Bescheid wurde auf die „beigefügte Zielvereinbarung” verwiesen und gebeten, „geeignete Unterlagen für die Prüfung der Mittelverwendung vorzuhalten”. Neben anderen Regelungen erhielt die „Zielvereinbarung persönliches Budget” die Verpflichtung, die Mittel aus dem persönlichen Budget zur Deckung des näher bezeichneten Bedarfs zu verwenden und die Bedarfsdeckung tatsächlich sicherzustellen. Ferner findet sich weiter eine Passage, wonach die zweckentsprechende Verwendung der Mittel durch die Vorlage der Abrechnungen des Leistungserbringers nachzuweisen ist. Die Überprüfung der Mittelverwendung soll i.d.R. jährlich i.R.d. Fortschreibung des Teilhabeplans erfolgen.

Der Beklagte forderte die Eltern des Klägers erstmals im Oktober 2013 zur Vorlage von Unterlagen zum Nachweis der zweckentsprechenden Mittelverwendung auf. Im Rahmen des sich weiter entwickelnden Schriftverkehrs wurden einzelne Unterlagen vorgelegt. Ab Juni 2015 stellte der Beklagte die Zahlung ein und erklärte sich bereit, die ambulanten Eingliederungsleistungen als Sachleistungen ab 1.6.2015 zu gewähren, was dann vorübergehend geschah, bis später für den inzwischen sozialmedizinisch festgestellten 24-Stunden-Betreuungsbedarf die Krankenkasse eintrat.

Nach Anhörung des Klägers widerrief der Beklagte die Bewilligung des PB für den Zeitraum September 2012 bis Mai 2015 nach § 47 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB X und forderte die für diesen Zeitraum als Eingliederungshilfe ausgezahlten 250.800 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurück. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Auf Revision des Klägers hob das BSG am 11.8.2022 – B 8 SO 3/21 R die ergangenen Urteile sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten auf, mit der Begründung, die Bewilligung eines PB in dem angefochtenen Bescheid und ggf. ergänzende Regelungen in der Zielvereinbarung eröffneten keine Widerrufsmöglichkeit nach § 47 Abs. 2 S. 1 SGB X.

Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der Geld- oder Sachleistungen zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1), oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2). Bereits der Wortlaut der Vorschrift des § 47 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB X bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass hier nur Leistungen betroffen sind, deren Zweck im Verwaltungsakt oder über eine in den Bescheid einbezogene Regelung (in Betracht käme hier die Zielvereinbarung) bestimmt ist. Nicht erfasst werden damit Leistungsbewilligungen, deren Zweck bereits im Gesetz abschließend normiert ist, und damit der Verwaltungsakt die allgemeine Zweckbestimmung des Gesetzes lediglich wiederholt, präzisiert oder durch eine Nebenbestimmung ergänzt. Dies hat das BSG bereits wiederholt entschieden (s. Nachweise in Rn 15 der Entscheidung, ebenso Schütze/Schütze, SGB X, § 47 Rn 14).

Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 SGB X ist, dass durch die konkrete Zweckbestimmung im Verwaltungsakt ein bestimmtes Verhalten des Begünstigten gefordert wird. Allein diese verhaltenssteuernde Zweckbestimmung selbst eröffnet die Widerrufsmöglichkeit. Die Erbringung eines PB – vorliegend noch nach § 57 SGB XII, seit 1.1.2018 geregelt in § 29 S...

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