Die derzeitigen Regelungen über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter in § 1600 BGB sind verfassungswidrig; sie greifen unverhältnismässig in das verfassungsrechtliche Elterngrundrecht ein. Dies entschied das BVerfG am 9. April und setzte dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 30.6.2025 (BVerfG, Urt. v. 9.4.2024 – 1 BvR 2017/211, vgl. dazu auch ZAP 2024, 418 in diesem Heft).
Geklagt hatte der biologische Vater eines dreijährigen Kindes in Sachsen-Anhalt. Er hatte vergeblich versucht, die rechtliche Vaterschaft des neuen Lebenspartners der Mutter gerichtlich anzufechten, da er selbst rechtlicher Vater seines Kindes werden möchte. Dabei trug er unter anderem vor, dass er sich von Anfang an intensiv um seinen Sohn gekümmert und bemüht habe. Die Gerichte sahen sich allerdings durch die strikte Vorgabe in § 1600 Abs. 2 BGB daran gehindert, seinem Antrag stattzugeben; denn dieser bestimmt, dass eine Vaterschaftsanfechtung stets ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bereits eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist.
Dieser strikte Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung verstößt gegen das Elterngrundrecht des Art. 6 GG, befand das BVerfG. Denn damit greife der Anfechtungsausschluss sogar dann, wenn der leibliche Vater selbst eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind habe oder sich frühzeitig und konstant um die rechtliche Vaterschaft bemüht habe. Dies sei unverhältnismäßig, denn es bestehe für den Gesetzgeber vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung des Elterngrundrechts durchaus die Möglichkeit, allen drei Elternteilen eine angemessene Grundrechtsausübung zu ermöglichen. Mit dieser Argumentation schlagen die Karlsruher Richter einen neuen Weg ein. Bisher hatte das BVerfG stets vorgegeben, dass es zum Wohle des Kindes immer nur zwei rechtliche Elternteile geben dürfe. Davon rücken sie nun ab: Sie überlassen es dem Gesetzgeber, sich für eine traditionelle Zwei-Eltern- oder eine mögliche Drei-Eltern-Familie zu entscheiden. Jedenfalls müsse er aber künftig dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stellen, das diesem grundsätzlich die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermögliche.
Der Gesetzgeber hat nun gut ein Jahr Zeit, eine verfassungsgemäße Neuregelung vorzunehmen. Eine Novellierung auf diesem Gebiet ist allerdings ohnehin auf dem Weg: Das Bundesjustizministerium hat kürzlich Eckpunkte zu einer umfassenden Reform des Kindschafts- und Abstammungsrechts vorgelegt, in deren Zuge auch die Rechte leiblicher Väter neu bestimmt werden sollen (vgl. näher ZAP 2024, 245 f.). Für die Zwischenzeit empfehlen die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung den betroffenen Vätern, bei den zuständigen Fachgerichten die Aussetzung bereits eingeleiteter Anfechtungsverfahren bis zu einer Neuregelung zu beantragen.
[Quelle: BVerfG]