Zusammenfassung
Seit dem 1.1.2023 gilt das neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht. Auch wenn die Vorsorgevollmacht nicht im Zentrum der Reform stand, hat sich einiges direkt und auch indirekt mit Auswirkungen auf die Gestaltungs- und Konfliktpraxis geändert. In dem Aufsatz sollen die Änderungen für Gestalter (I.) und für forensisch Tätige (II.) dargestellt sowie nächste Entwicklungsschritte für das Recht der Vorsorgevollmacht vorgeschlagen werden (III.).
I. Gestaltung
1. Schriftformerfordernis
Vollmachten können gem. § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich formfrei erteilt werden, auch wenn das Rechtsgeschäft, bei dem vertreten werden soll, formbedürftig ist. Ausnahmen wie gem. § 29 GBO für die Eintragungsbewilligungen, für die Ausschlagung einer Erbschaft nach § 1945 Abs. 3 BGB oder Ausweisangelegenheiten gem. § 9 Abs. 1 S. 5 PAuswG müssen ausdrücklich angeordnet werden. Von der Rechtsprechung wurden fast keine Formerfordernisse für die Vollmacht entwickelt (so für die Bürgschaft und für eine unwiderrufliche Vollmacht, soweit sie überhaupt zulässig ist).
Im Rahmen der Reform wurde bewusst davon abgesehen, die Vorsorgevollmacht unabhängig von den Regeln des Allgemeinen Teils des BGB zu definieren und einzugrenzen. Daher gilt grundsätzlich auch für Vorsorgevollmachten der § 167 Abs. 2 BGB.
a) Änderungen
Für die Zuweisung von Vertretungsbefugnissen in besonderen, persönlichen Angelegenheiten war bis zum 31.12.2022 in den §§ 1904, 1906, 1906a BGB jeweils im fünften Absatz ein Schriftformerfordernis verankert. Dieses ist nun in § 1820 Abs. 2 BGB gebündelt. An den Anforderungen an Formulierungen, insbesondere bei der Konkretisierung, hat sich nichts geändert. Sehr knapp ist insofern auch das neu gefasste Formular des BMJ, in dem gerade einmal ein paar mehr Worte als die Paragrafen-Überschriften enthalten sind.
Inhaltlich haben sich die entsprechenden Paragrafen kaum geändert. Lediglich bei der Befugnis zur Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringungen in § 1831 Abs. 1 BGB wurden die Worte „zum Wohl” gestrichen. Dies entspricht der Abkehr vom paternalistischen Wohlgedanken, wie es insgesamt durch die Reform im Betreuungsrecht der Fall ist. Die Unterbringung muss also nur noch allgemein „erforderlich” sein und nicht mehr „zum Wohl” des Betroffenen. Inhaltlich hat sich dadurch nichts geändert.
b) Handlungsbedarf
Vorsorgevollmachten sind im Zweifel auszulegen und daher weiter wirksam, auch wenn sie die alten Paragrafen und die Worte „zum Wohl” enthalten. Sollte eine Vorsorgevollmacht bisher ausführlich formuliert sein und auch das Wohl-Erfordernis enthalten haben, sollte dies für die Zukunft geändert werden. Nach hier vertretener Ansicht sollte eine Paragrafennennung (mit den neuen Paragrafen) beibehalten werden, um eindeutig den Bezug zum Schriftformerfordernis herzustellen. Entscheidend ist zwar der Inhalt. Trotzdem kann die Paragrafenbezeichnung die Leichtläufigkeit der Vorsorgevollmacht erhöhen. Zusätzlich ist es denkbar, § 1820 Abs. 2 BGB zu erwähnen, was der Autor nicht als notwendig erachtet, da dort nur die Schriftformanforderung verankert ist.
Die Reform sollte Anlass zur Überprüfung von Vorsorgevollmachtsmustern sein, wenn dies nicht ohnehin laufend geschieht. So werden immer wieder und auch mit notarieller oder anwaltlicher Beratung Vorsorgevollmachten erstellt, bei denen das Konkretisierungserfordernis zu wenig beachtet wurde und bei denen die seit 2017 geltenden Regelungen der medizinischen Zwangsbehandlung und der diesbezüglichen Verbringung nicht berücksichtigt wurden. Solche Lücken sollten geschlossen werden.
In Bezug auf die §§ 1829, 1831 f. BGB (§§ 1904, 1906 f. BGB a.F.) zur Ermächtigung zur Vertretung bei gefährlichen Maßnahmen, bei Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahmen, der medizinischen Zwangsmaßnahme und der Verbringung schlägt der Autor folgende Formulierungen vor:
Formulierungsvorschlag:
„In persönlichen Angelegenheiten umfasst die Vollmacht insbesondere auch die Befugnis,
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Gesundheitssorge
- ... ;
- Einwilligungen gegenüber Ärzten, Krankenhäusern, Pflegepersonal und Pflegeeinrichtungen zu erteilen und zu verweigern, zu entscheiden, ob eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff durchgeführt werden sowie ärztliche und pflegerische Maßnahmen zu kontrollieren;
- in eine Maßnahme nach § 1829 Abs. 1, 2 BGB einzuwilligen, die Einwilligung zu widerrufen oder gar nicht erst einzuwilligen, also in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff, auch wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund dieser Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet;
- über einen Behandlungsabbruch oder die Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden, wie beispielsweise künstliche Ernährung oder Flüssigkeitszufuhr;
- zu entscheiden, ob nach dem Tod Organe oder Gewebe entnommen werden dürfen; eine Anweisung des Vollmachtgebers (z.B. Organspenderausweis) geht vor.
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2. |
Unterbringung |