Die in der Vergangenheit notwendig gewesene Differenzierung zwischen dem Vorbehaltsnießbrauch im Sinne des § 25 ErbStG aF und anderen Varianten des Nießbrauchs entfällt. Die Reduzierung der Bemessungsgrundlage tritt auch beim Vorbehaltsnießbrauch ein.
aa) Wirkungsweise
Der Kapitalwert eines Nießbrauchs wird wie bisher durch die Multiplikation des Jahreswerts mit dem maßgeblichen Vervielfältiger ermittelt. Der Jahreswert ist durch den unverändert gebliebenen § 16 BewG auf 5,37 % des Steuerwerts des belasteten Wirtschaftsguts begrenzt. Infolge der Anhebung der Steuerwerte durch ihre Ermittlung anhand der Verkehrswerte tritt aber auch eine Erhöhung dieser "Deckelung" ein.
Der Vervielfältiger ergibt sich nicht mehr aus der als überholt angesehenen Anlage 9 zu § 14 BewG. Die Vervielfältiger sind vom Bundesministerium der Finanzen auf der Grundlage der jeweils aktuellen Sterbetafel des statistischen Bundesamtes (derzeit Sterbetafel 2004/2006) zu ermitteln und zu veröffentlichen. Dadurch wird der gestiegenen allgemeinen Lebenserwartung Rechnung getragen. Der so ermittelte Kapitalwert wird grundsätzlich von der Bemessungsgrundlage voll abgezogen.
bb) Abzug des Kapitalwerts und Anwendung von § 13 a ErbStG
Nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG aF galt der Grundsatz, dass Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13 a ErbStG aF befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang standen, in vollem Umfang abzugsfähig waren. § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG aF schränkte diesen Grundsatz für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften dahingehend ein, dass die Abzugsfähigkeit bei Anwendung von § 13 a ErbStG aF nur verhältnismäßig gewährt wurde. In § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG wird nun ohne Differenzierung bestimmt, dass Schulden und Lasten, die mit nach § 13 a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig sind, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13 a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13 a ErbStG entspricht.
Bislang war streitig, ob § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG aF eine verhältnismäßige Minderung des Kapitalwerts im Rahmen der Berechnung des Stundungsbetrages nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG aF zulässt oder nicht. Jetzt besteht der Ausschluss des Abzugs nach § 25 ErbStG nicht mehr, mit der Folge, dass das Argument gegen die verhältnismäßige Minderung entfallen ist. Das bedeutet im Anwendungsbereich des § 13 a ErbStG, dass sich der abzugsfähige Teil des Kapitalwerts des Nießbrauchs wie folgt errechnet:
Von besonderer Bedeutung – mit den entsprechenden Konsequenzen für die Beratungspraxis – ist, dass sich der Wert nach Anwendung des § 13 a ErbStG in den Fällen der Nachversteuerung (hierzu B III 3 c) erhöht mit der Folge, dass Nießbrauchs- oder ähnliche Gestaltungen mE nicht nur zu einer niedrigeren Steuerbelastung im Hinblick auf den Erwerb an sich, sondern insbesondere in den bei Anwendung der §§ 13 a, 19 a ErbStG immer drohenden Fällen der Nachsteuer führen. Dieser Aspekt muss in jedem Einzelfall mit dem Mandanten erörtert werden.
cc) Problemfelder
Zivilrechtlich lässt – jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH – die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht beginnen.
Schenkungsteuerlich will die Finanzverwaltung bei der Übertragung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt § 13 a ErbStG aF nicht anwenden, wenn der Beschenkte nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft wird (H 51 Abs. 1 ErbStR).