1. Das OLG hat über die Rechtsfähigkeit der Stiftung zutreffend nach liechtensteinischem Recht befunden (dazu Hoffmann, in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, S. 190 ff). Nach liechtensteinischem Recht beurteilt sich auch eine Durchbrechung der rechtlichen Selbstständigkeit der Stiftung, mithin ein Durchgriff, mit der Folge, dass das Stiftungsvermögen als Vermögen des Stifters anzusehen ist.
Darüber hat das OLG auf der Grundlage der Urteile des Fürstlichen Obersten Gerichtshof (OGH) vom 7.5.1998 und vom 7.3.2002 entschieden. Aber diese Urteile sind seit 2002 überholt. Denn das Urteil vom 7.3.2002 war Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde beim Liechtensteinischen Staatsgerichtshof (StGH). Er hat es in seiner Entscheidung vom 16.9.2002 (in diesem Heft S. 22) als verfassungswidrig aufgehoben und sowohl diese Entscheidung des OGH wie auch die vorausgegangene Entscheidung vom 7.5.1998 als "krass unrichtig und somit auch als unhaltbar im Sinne des Willkürverbots der Landesverfassung" kritisiert. Deutlicher kann man es nicht mehr sagen.
2. Nach der Entscheidung des StGH ist davon auszugehen, dass die Einräumung von Interventions- und Gestaltungsrechten zugunsten des Stifters für sich allein nicht rechtfertigt, die Stiftung als juristische Person beiseite zu schieben. Ein Durchgriff ist nur möglich, wenn feststeht, dass von Anfang an eine "konkrete Missbräuchlichkeit" vorgelegen hat, weil der Stifter die Stiftung gezielt dazu benutzt hat, zwingende gesetzliche – hier erbrechtliche – Vorschriften zu umgehen. Dafür gibt das Urteil des OLG nichts her.
3. Im Urteil des OLG findet sich die inzwischen sattsam bekannte Aufzählung der Ein- und Zugriffsrechte des Stifters. Sie wird in ihrer Fülle unreflektiert dazu benutzt, das angestrebte Ergebnis plausibel erscheinen zu lassen. Das ist erkennbar, wenn man vergleichbare Gestaltungen heranzieht, die nach dem deutschen Recht möglich sind.
3.1 Hierzulande gibt es die vermögensverwaltende GmbH, die einem Gesellschafter gehört, der zugleich der alleinige Geschäftsführer ist. Er hat nach allgemeiner Meinung das Recht, das nicht als Stammkapital gebundene Vermögen der GmbH wie auch dessen Erträge jederzeit zu entnehmen (BGH, NJW 1984, 1037); als regelmäßig von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer kann er die Entnahme auch selbst vollziehen. Dennoch ist noch niemand auf die Idee gekommen, in der Benutzung einer solchen GmbH einen Missbrauch zu sehen, der es rechtfertigt, das Vermögen der GmbH als Vermögen des Alleingesellschafters zu behandeln. Soll das anders sein, wenn jemand Vermögen auf eine GmbH überträgt, die ein anderer für ihn gegründet hat, und den Geschäftsführer dieser GmbH in einem "Mandatsvertrag" zu seiner Marionette deklassiert und sich von ihm eine Kontovollmacht geben lässt? Wohl kaum, denn Diskretion oder Heimlichkeit, je nach Sichtweise, ist per se kein Missbrauchstatbestand. Außerdem hat der Hintermann als faktischer Geschäftsführer keine Rechte, die über die Rechte hinausgehen, die er hätte, wenn er nicht nur faktischer, sondern auch rechtlicher Geschäftsführer wäre. Eine GmbH kann zwar nicht widerrufen werden, aber der Alleingesellschafter kann sie auflösen und sich dadurch das gesamte Vermögen der GmbH, nach Abzug der Kosten, verschaffen. Auch darin hat man bisher keinen Grund gesehen, dem Gesellschafter das GmbH-Vermögen bereits im Vorgriff auf eine mögliche Auflösung zuzurechnen.
3.2 Und fortgeführt für eine deutsche Stiftung: Ist ein Durchgriff gerechtfertigt, wenn der Stifter eine Familienstiftung gründet, deren Zweck darin besteht, das Familienvermögen zu verwalten und zu mehren und daraus den Stifter und seine Familie finanziell zu unterstützen, und der Stifter zu seinen Lebzeiten der alleinige Destinatär und der alleinige Vorstand ist, sodass er sich im Rahmen des Stiftungszwecks jederzeit Vermögen und Erträge der Stiftung zuwenden kann? Nach bisherigem Verständnis der Sache nicht. Ist das anders, wenn der Stifter seine Zugriffsmöglichkeiten verschleiert, indem er einen Marionettenvorstand einsetzt, der ihm auf Weisung Vermögen und Erträge der Stiftung zuwendet und ihm eine Vollmacht gibt, damit er das selbst erledigen kann? Auch nicht. Eine deutsche Stiftung kann aufgelöst werden, indem sie der Stifter widerruft, wenn er sich den Widerruf in der Satzung vorbehalten hat (vgl. Hof, in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., S. 401, Rn 35) Auch das rechtfertigt keinen Durchgriff mit der Folge, dass das Stiftungsvermögen dem Stifter zugerechnet wird.
4. Bei genauerer Betrachtung ist erkennbar, dass es eines Durchgriffs nicht bedarf. Entscheidend ist, ob das Vermögen vorbehaltlos und wirksam auf die GmbH oder die Familienstiftung übertragen wurde. Hat der Gesellschafter oder der Stifter in dem der Übertragung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft die Verwendung des Vermögens nicht beschränkt, kann die GmbH oder die Stiftung im Verhältnis zum Gesellschafter oder Stifter im Rahmen ihres Satzungszw...