Gerade ein jahrelanges, mietfreies Wohnen, wie hier im Fall vor dem LG Kaiserslautern durch den Beklagten, erscheint ein intensiv gezogener Vorteil zu sein. Diesem die Pflichtteilsergänzungsrelevanz abzusprechen, erscheint nicht hinnehmbar. Wenn in diesem Fall einem Abkömmling unentgeltlich eine Wohnung zur Verfügung gestellt wird, dürfte klar sein, dass der Erblasser insoweit auf Mieteinnahmen verzichtet und in diesem Verzicht eine vermögensrechtliche Bereicherung des Abkömmlings liegt, weil ihm der Erblasser Mietaufwendungen erspart. Der Gegenstand der Schenkung kann daher auch eine ersparte Vergütung sein, wenn für derartige Leistungen üblicherweise eine Vergütung bezahlt wird.
Dies ist bei der Überlassung von Wohnraum typischerweise der Fall, so kennt das Einkommensteuergesetz auch eigene Einkunftsart aus VV – "Vermietung und Verpachtung". Zieht sich die unentgeltliche Nutzung über mehrere Jahre hin, kann es sich um einen erheblichen Vermögensvorteil handeln, der im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsrechts zu berücksichtigen ist.
Rückgegriffen wurde hierbei auf die Angaben aus dem von der beklagten Seite vorgelegten Gutachten und damit auch auf die von dem Beklagten genutzte Wohnfläche. Ähnlich einer Wohngemeinschaft ist die Nutzungsentschädigung anhand der beanspruchten Wohnfläche zu ermitteln. Auch der Wohnvorteil in einer Wohngemeinschaft hat einen Wert. Dieser ist anhand der genutzten Wohnfläche zu ermitteln. Wolle man unterstellen, dass das Wohnen in einer Wohngemeinschaft und das Benutzen eines gemeinsamen Bades keinen geldwerten Vorteil darstellt, müsste kein Mitglied einer Wohngemeinschaft noch Miete entrichten, weil das Verlangen einer Miete für derartiges, nicht werthaltiges Wohnen Wucher i.S. § 138 Abs. 2 BGB darstellen würde. Gleiches wäre dann auch Pensionen entgegen zu halten, die Gemeinschaftsbäder vorsehen. Zudem widerspricht das erfolgreiche weltweite Konzept von Airbnb, bei dem teilweise sogar eine freie Couch im Wohnzimmer des Gastgebers für Geld vermietet wird, den Einschätzungen des LG Kaiserslautern.
Hinsichtlich der Bewertung des mietfreien Wohnens bestehen auch wieder Unsicherheiten. Denkbar wäre es, den monatlich erlassenen Mietbetrag ratierlich auf den Todestag jeweils zu indexieren sowie gemäß § 2325 Abs. 3 BGB abzuschmelzen. Andererseits kann der Mieterlass auch entsprechend den Entscheidungen des BGH zum Rentenerlass auf den Stichtag des Erlasses mit der Lebenserwartung des Zuwendenden hochgerechnet werden. Damit stellt sich auch wieder die Frage, ob ein länger als zehn Jahre zurückliegender Erlass den Anwendungsbereich des § 2325 BGB kraft Zeitablaufs ausschließt.
Der Vergleich mit denjenigen Entscheidungen des BGH, in denen eine Beeinträchtigung des Vertragserben nach § 2287 BGB oder des Nacherben durch die kostenfreie Überlassung von Wohnraum durch den Erblasser bzw. den Vorerben verneint wird, hinkt. Die dort getroffenen Erwägungen können nicht auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche übertragen werden. Der Schutzzweck der Normen ist schon nicht vergleichbar: Der Vertragserbe und auch der der Nacherbe sollen vor Substanzverlusten geschützt werden. Nichtsdestotrotz soll dem vertraglich gebundenen Erblasser oder dem Vorerben aber die Möglichkeit der Nutzung der Substanz verbleiben. Die unentgeltliche Überlassung der Substanz zu Lebzeiten des gebundenen Erblassers oder des Vorerben schädigt aber grundsätzlich nicht die Substanz. Daher ergibt es in diesen Fallkonstellationen Sinn, den Schutz dieser Vorschrift durch die kostenfreie Gebrauchsüberlassung nicht als angetastet anzusehen. Anders ist es bei der Pflichtteilsergänzung. Der Pflichtteilsberechtigte erhält gerade keinerlei Substanz. Er erhält nur seine verfassungsrechtlich garantierte Mindestteilhabe am Nachlass seines nächsten Verwandten. Dieser soll nicht durch kreative Maßnahmen ausgehöhlt werden. Die bereits ungünstige Position des Pflichtteilsberechtigten darf nicht noch verschlechtert werden, indem die Aushöhlung des Nachlasses durch erhebliche Begünstigungen wie die Gewährung mietfreien Wohnraums toleriert wird.
Mayer verweist darauf, dass die Zuwendung eines Nießbrauchs oder eines Wohnrechts stets als erhöhende Zuwendung im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche angesehen wird. Aus seiner Sicht besteht faktisch kein Unterschied zum "schuldrechtlichen Wohnungsrecht" bzw. mietfreien Überlassen von Wohnraum. So sieht es auch Reisnecker, denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Abkömmling für den Gebrauch eine Gegenleistung (Miete) erbringt, die dann anschließend zurück geschenkt bzw. gleich verrechnet wird, oder ob der Erblasser auf Mietzins verzichtet, selbst wenn es nicht zu einer unmittelbaren Vermögensminderung beim Erblasser kommt.
Aufgrund der am Normzweck orientierten Auslegung sind daher auch Leihverträge, die wirtschaftlich wegen ihrer langen Laufzeit einer Substanzverlagerung gleichkommen, in den Anwendungsbereich des § 2325 BGB einzubeziehen. Die Pflichtteilsergänzungsrelevan...