Sieht man die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses nach zutreffender Ansicht nicht als Beurkundung einer Willenserklärung im Sinne der §§ 8 ff. BeurkG an, sondern als Beurkundung eigener Tatsachenwahrnehmungen des Notars, so handelt es sich um eine sonstige Beurkundung gemäß § 36 ff. BeurkG, auf die die Regelungen der § 17 BeurkG zur Belehrungspflicht des Notars bei Willenserklärungen nach der Systematik des Beurkundungsgesetzes keine Anwendung finden. Die besondere Qualität des notariellen Nachlassverzeichnisses ergibt sich indes jedoch auch aus dem unmittelbaren Dialog zwischen dem Auskunftsverpflichteten und dem Notar und den damit verbundenen Aufklärungen und Belehrungen durch den Notar. Der Notar soll den Erben eindringlich und unmittelbar über seine Wahrheitspflicht belehren. Sinn und Zweck der Verzeichniserstellung sprechen daher für die Anwendung der Belehrungspflichten für die Beurkundungen für Willenserklärungen. So wird es auch im Zusammenhang mit der Tatsachenbeurkundung von Gesellschafterversammlungen vertreten.
Sollte sich der Erbe im Ausnahmefall nicht entsprechend äußern, gehörte eine entsprechende Belehrung zu den Pflichten des Notars. Auch insoweit gilt die Verpflichtung des Notars nach § 17 BeurkG, die Beteiligten umfassend aufzuklären.
Kann die Rechtslage hinsichtlich der Verpflichtung des Notars, ergänzungspflichtige Schenkungen in das Verzeichnis aufzunehmen, als geklärt angesehen werden, fehlt eine obergerichtliche Entscheidung zur Berücksichtigung von Leistungen im Sinne des § 2057a BGB bislang. Indessen liegt es nicht zuletzt im Hinblick auf die Bedeutung der Thematik nahe, mit den gleichen Argumenten, die zu einer Erstreckung des Verzeichnispflicht auf ergänzungspflichtige Schenkungen auch besondere Leistungen im Sinne des § 2057a BGB zu berücksichtigen.
Sofern der Notar im Hinblick auf die derzeit noch ungeklärte Rechtslage hinsichtlich seiner Verzeichnispflicht zu besonderen Leistungen nach § 2057a BGB entscheidet, keine Ermittlungen zu § 2057a BGB durchzuführen beabsichtigt, wäre auch insoweit ein entsprechender Hinweis geboten. Indessen besteht eine Belehrungspflicht nur gegenüber dem auftraggebenden Erben, nicht hingegen gegenüber dem auskunftbegehrenden Pflichtteilsberechtigten. Der Notar wird zu berücksichtigen haben, dass seine Tätigkeit der Verwirklichung der grundsätzlich unentziehbaren und bedarfsunabhängigen, wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der nächsten Angehörigen am Nachlass des Erblassers dient. Diese Mindestbeteiligung, deren Vorbereitung der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB dient, wird durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet und geschützt. Dieser Entscheidung des Verfassungsgebers hat der Notar bei der Errichtung des Nachlassverzeichnisses durch ein pflichtgemäßes Ermessen Rechnung zu tragen. Aus der Pflicht zur Verwirklichung dieses Individualgrundrechts folgt im besonderen Maße die Verpflichtung des beauftragten Notars, den Nachlassbestand selbst vollständig und richtig zu ermitteln und das Verfahren sachgerecht und nach pflichtgemäßem Ermessen zu gestalten. Als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes hat der Notar durch die Gestaltung des Verfahrens und dem Umfang seiner Belehrungen sicherzustellen, dass der pflichtteilsberechtigte Nichterbe seinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch effektiv durchsetzen kann. Der Notar hat also, auch wenn der Erbe ihn beauftragt hat, die Rechtsposition des pflichtteilsberechtigten Nichterben zu berücksichtigen, dem der Notar bei der Verletzung seiner Pflicht u.U. auch zum Schadenersatz verpflichtet sein kann. Der Notar hat den Sachverhalt gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG aufklären. Er darf sich dabei zwar regelmäßig auf die tatsächlichen Angaben des Erben verlassen. Er muss allerdings bedenken, dass der Erbe entscheidende Umstände möglicherweise nicht erkennen oder rechtliche Begriffe falsch verstehen kann. Insbesondere im Bereich der Pflichtteilsergänzung und der ausgleichspflichtigen Zuwendungen nach § 2057a BGB wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass der Erbe die Relevanz einzelner Verfügungen des Erblassers nicht erkennt bzw. rechtliche Begriffe, die auch unter Laien gebräuchlich sind, falsch versteht.