Das notarielle Nachlassverzeichnis gehört mittlerweile zum "Goldstandard" in der pflichtteilsrechtlichen Auseinandersetzung. Der BGH hat jüngst zu den Anforderungen an die notarielle Tätigkeit im Zusammenhang mit der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses Stellung nehmen können. Der BGH stellt in seinem Urt. v. 20.5.2020 ausdrücklich klar, dass der Notar unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, welche konkreten Ermittlungen er zum Nachlassbestand vornimmt. Der Notar ist im Rahmen der Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens dazu verpflichtet, selbst und eigenständig den tatsächlichen und fiktiven Nachlassbestand zu ermitteln. Er muss das ihm zukommende Ermessen erkennen und selbst ausüben. Art und Umfang der Ermittlungen sollte der Notar im Nachlassverzeichnis dokumentieren. Bemerkenswert ist, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 20.5.2020 ausdrücklich die Rechtsprechung des OLG Koblenz in Bezug nimmt. Hieraus dürfte zu schließen sein, dass der Notar daher die in Betracht kommenden Ermittlungsansätze vollständig auszuschöpfen muss, da andernfalls das von ihm errichtete Verzeichnis keine Erfüllungswirkung haben kann. Der Notar steht also vor einer anspruchsvollen, zeitaufwändigen und nicht einfach zu erfüllenden Aufgabe.
Der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB soll den Pflichtteilsberechtigten befähigen sich einen vollständigen Überblick über den Umfang des Nachlasses des Verstorbenen und über die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.
Das notarielle Nachlassverzeichnis muss vollständig sein. Es sind daher alle Vermögenswerte und Gegenstände aufzuführen, die für den Informationszweck des Verzeichnisses von Bedeutung sind. Im Fall des Verzeichnisses nach § 2314 BGB sind daher neben den Vermögenswerten im Zeitpunkt des Erbfalls (realer Nachlass) auch der sogenannte fiktive Nachlass mit aufzunehmen, soweit der pflichtteilsberechtigte Nichterbe seinen Auskunftsanspruch auch insoweit geltend gemacht hat. Zum fiktiven Nachlass gehört jede pflichtteilsrelevante Schenkung des Erblassers sowie ergänzungs- und ausgleichspflichtige Zuwendungen nach den §§ 2316 Abs. 1, 2052, 2055 Abs. 1 BGB einschließlich der Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten selbst. Nach § 2316 Abs. 1 BGB sind auch die in § 2057a BGB genannten Leistungen bei der Berechnung des konkreten Pflichtteilsanspruchs zur Ausgleichung zu bringen. Die Auskunft des Erben nach §§ 2314, 260 BGB sowie die korrespondierende Auskunft des pflichtteilsberechtigten Nichterben hat sich – soweit es sich insoweit um Abkömmlinge handelt – auch auf etwaige Leistungen nach § 2057a BGB zu beziehen.