Leitsatz
1. Auch wenn beim Abschluss eines Darlehens- und eines Restkreditversicherungsvertrages zwei rechtlich selbstständige Verträge geschlossen wurden, ist eine Qualifizierung als Verbundgeschäft im Sinne von § 358 Abs. 3 BGB möglich.
2. Für § 5 VVG besteht kein Raum, wenn es sich um einen Fall der "falsa demonstratio" handelt, d.h. Antrag und Versicherungsschein sich von ihrem Wortlaut unterscheiden, aber das Gleiche gewollt ist; der wahre Wille der Erklärenden ist in diesem Fall maßgeblich.
LG Dortmund, Urt. v. 31.7.2020 – 3 O 6/20
1 Tatbestand
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten in seiner Eigenschaft als Erben aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung eines gekündigten Verbraucherdarlehensvertrages in Anspruch.
Bei der Klägerin, die bis zum 3.1.2019 unter der Bezeichnung "E GmbH" firmierte, handelt es sich um ein Unternehmen, das sich auf den Kauf und den Einzug von Not leidenden Forderungen spezialisiert hat. Sie kauft von anderen Unternehmen und Kreditinstituten Forderungen, die aus bereits beendeten Vertragsverhältnissen resultieren und von den jeweiligen Gläubigern bisher noch nicht eingezogen werden konnten. Im vorliegenden Fall wurde die streitbefangene Forderung von der T AG (später: T1 Privat- und Firmenkundenbank, mittlerweile auf die T AG verschmolzen; nachfolgend als Zedentin bezeichnet) erworben.
Der Beklagte ist der Sohn des am … 1955 geborenen und am … 2014 verstorbenen Herrn N (nachfolgend als Erblasser bezeichnet) und – zusammen mit drei weiteren Miterbinnen (Frau N1, Frau N2 und Frau N3) – Erbe nach diesem.
Der Erblasser schloss mit der Zedentin am 14.5.2014 (ca. fünf Monate vor seinem Tod) zur Konto-Nr. … einen Verbraucherdarlehensvertrag ("PrivatKredit") über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 11.150,00 EUR bei einem für die gesamte Vertragslaufzeit von 84 Monaten gebundenen Sollzinssatz von 10,01 % p.a. (effektiv: 10,49 % p.a.; ausgerechnet: 4.407,84 EUR) ab. Die Rückzahlung des Darlehens sollte in 83 gleichen monatlichen Raten zu je 185,28 EUR (erstmals zum 15.6.2014) und einer Schlussrate in Höhe von 179,60 EUR erfolgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 (Bl. 13-16 d.A.) Bezug genommen.
Am selben Tag (14.5.2014) unterzeichnete der Erblasser bei der C1 AG (nachfolgend nur als C1 bezeichnet) ein Formular über eine "Restkreditversicherung (RKV) für den PrivatKredit" mit den Tarifen RKV ("Restkreditlebensversicherung (…) mit monatlich linear fallender Versicherungssumme gegen Einmalbeitrag") und AUV ("Arbeitsunfähigkeitsversicherung gegen Einmalbeitrag bei der C2 "). Als anfängliche Todesfallsumme war in dem Formular ein Betrag von 1.115,00 EUR eingetragen, die abgesicherte Arbeitsunfähigkeitsrente wurde auf 185,28 EUR (in gleicher Höhe wie die monatlichen Darlehensraten) beziffert. (…)
Noch am 14.5.2014 zahlte die Zedentin den Nettodarlehensbetrag abzüglich des Einmalbeitrages in Höhe von 1.147,63 EUR, den die Zedentin direkt an die C1 überwies, auf zwei verschiedene Konten des Erblassers aus (459,19 EUR auf ein Konto bei der T1 und 9.543,18 EUR auf ein Konto bei der W1).
In der Folgezeit gerieten der Erblasser und nachfolgend seine Erben mit der Zahlung der monatlichen Raten in Verzug und wurden diesbezüglich von der Zedentin mehrfach angemahnt. Nach dem Tod des Erblassers kehrte die C1 am 9.4.2016 einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.076,00 EUR (1.049,00 EUR Versicherungssumme und 27,00 EUR Todesfallbonus) an die Erben aus und überwies den Betrag auf das Darlehenskonto. Mit Schreiben vom 31.5.2016 forderte die Zedentin den Beklagten nochmals und letztmalig bis zum 14.6.2016 zum Ausgleich des zu diesem Zeitpunkt rückständigen Betrages in Höhe von 2.408,64 EUR auf und kündigte widrigenfalls die Kündigung des Darlehensvertrages und die Geltendmachung des dann offenen Restdarlehensbetrages zuzüglich noch anfallender Zinsen und Kosten an. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach, so dass die Zedentin mit Schreiben vom 30.6.2016 das Restdarlehen mit Wirkung zum 14.7.2016 kündigte und den Beklagten aufforderte, die Restschuld in Höhe von 10.524,23 EUR bis zu diesem Termin zu zahlen. Der Beklagte zahlte auch in der Folge nicht.
Mit Schreiben vom 25.8.2016 zeigte die Zedentin dem Beklagten gegenüber an, dass sie die Forderung aus dem vorbezeichneten Darlehensvertrag nebst aller Nebenrechte an die (jetzige) Klägerin abgetreten habe.
Mit der vorliegenden Klage erhebt die Klägerin Anspruch auf die Kreditrestforderung in Höhe von 10.524,23 EUR zuzüglich ausgerechneter Verzugszinsen bis zum 26.6.2018 in Höhe von 19,27 EUR. Daneben begehrt sie Zahlung verauslagter Inkassokosten in Höhe von 775,20 EUR. Diese Kosten seien der Klägerin durch die Einschaltung der E1 GmbH, eines nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG registrierten Inkassounternehmens, entstanden.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 10.543,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.524,23 EUR seit dem 5.4.2017 an die Klägerin zu verurteilen;
den Beklagten zur Zahlung von 775,20 EUR an Nebenkosten an...