a. Gesetzliche Grundlage
Die gesetzliche Grundlage für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses findet sich in § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB. Nach dieser Norm kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass das vom Erben nach § 260 BGB vorzulegende Verzeichnis zur Bestandsaufnahme über den Nachlass von einem Notar aufgenommen wird. Das Recht auf die amtliche Aufnahme eines Verzeichnisses ist daher, wie auch beim privatschriftlichen Verzeichnis, das Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Ziel eines Nachlassverzeichnisses ist im Allgemeinen den Pflichtteilsberechtigten, der unter einem Informationsdefizit leidet, die Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen.
Der Zweck hinter einem notariellen Nachlassverzeichnis liegt darin, dass durch die Aufnahme des Nachlassverzeichnis durch eine Amtsperson eine besondere Gewähr geboten werden soll, dass der Schuldner des Wertermittlungsanspruchs aus § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB (der Erbe) die Angaben wahrheitsgemäß erteilt. Daher wird angenommen, dass das amtliche Verzeichnis gegenüber dem privatschriftlichen Verzeichnis eine größere Sicherheit für Klarheit, Übersichtlichkeit, Neutralität und Richtigkeit biete. Im Ergebnis haben aber sowohl das privatschriftliche als auch das notarielle Nachlassverzeichnis aufgrund ihres Ursprungs materiell-rechtlich den gleichen Beweiswert, weil auch der Notar auf die Mitwirkung der auskunftsverpflichteten Person angewiesen ist (es handelt sich lediglich um formell unterschiedliche Ausprägung), sodass beide Nachlassverzeichnisse auch inhaltlich wesensgleich sind. Die Kosten, welche für die Erstellung eines notariellen aber auch eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses entstehen, fallen gem. § 2314 Abs. 2 BGB dem Nachlass zur Last.
b. Pflichten des Notars
Zwar ergibt sich aus § 260 Abs. 1 BGB die grundsätzliche Form der Auskunftserteilung: Danach hat der Erbe über den Bestand ein Verzeichnis vorzulegen, in dem sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses übersichtlich zusammengestellt und die Gegenstände nach Anzahl, Art und wertbildenden Faktoren zu bezeichnen sind. Dennoch gibt es für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses für den beauftragten Notar keinen konkret festgelegten Pflichtenkatalog, welchen dieser abzuarbeiten hat.
Der Notar wird zum einen auf Antrag der Erben tätig, sodass der Erbe den Umfang der Tätigkeit vorgibt. Zum anderen ist dem Notar bei Erfüllung seiner Pflicht ein pflichtgemäßes Ermessen eingeräumt, sodass dieser entscheiden kann, welche Ermittlungen er für geboten erachtet. Dennoch hat der Notar bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses drei große Themenfelder zu beachten: Vollständigkeit, Richtigkeit und seine Ermittlungspflicht. Ausgangspunkt seiner Aufgabe sind dabei diejenigen Nachforschungen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.
aa. Vollständigkeit und Richtigkeit
Bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ist der Notar verpflichtet, die Vermögensgegenstände zu ermitteln und den Nachlassbestand vollständig und umfassend sowie transparent und übersichtlich darzustellen. Dabei muss der Notar alle möglichen Berechnungsfaktoren für die Pflichtteilsberechnung in das Nachlassverzeichnis aufnehmen. Zum Nachlassbestand gehört dabei auch der fiktive Nachlass (pflichtteilsrelevante Schenkungen des Erblassers und ausgleichspflichtige Zuwendungen). Aufgabe des Notars ist es aber nur, die Nachlassgegenstände nach Anzahl und Art aufzulisten, dem Notar obliegt es nicht, über die Ei...