Leitsatz
1. Bei vorbehaltenem Totalnießbrauch liegt keine Vermögensübergabe iSd § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG vor.
2. Es besteht keine Bindung des Gerichts an eine Norm interpretierende Verwaltungsanweisung.
3. Leistungen an die Schwester sind nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig, wenn deren Unterhalt durch Unterhaltsansprüche an den Vater und ggf. durch Sozialleistungen sichergestellt war.
FG München, Urteil vom 4. Dezember 2006 – 13 K 4085/04
Sachverhalt
Streitig ist, ob die vom Kläger in den Streitjahren aufgrund eines Vertrages zur Überlassung von Grundbesitz unter Vorbehalt des Totalnießbrauchs gegenüber seiner Schwester erbrachten Leistungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) zu berücksichtigen sind.
Der Kläger wurde im Streitjahr 1994 bei dem Finanzamt München II einzeln sowie in den Streitjahren 1995, 1996 und 1997 bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA) mit der Klägerin zusammen zur ESt veranlagt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag zur Überlassung von Grundbesitz vom 21. Dezember 1994 (Vertrag) überließ der Vater des Klägers u. a. dem Kläger das vermietete Grundstück mit Wohnhaus in X (Grundstück) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Im Gegenzug übernahm der Kläger eine an dem Grundstück bestellte Grundschuld zu 220.000 DM nebst der dieser Grundschuld zugrunde liegenden Verbindlichkeit des Vaters des Klägers gegenüber einer Bank und bestellte an dem Grundstück zugunsten des Vaters einen Nießbrauch auf Lebenszeit. Weiter verpflichtete sich der Kläger in diesem Vertrag gemeinsam mit seiner Schwester A, seiner schwerbehinderten Schwester B (Schwester) auf Lebenszeit ein mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gesichertes Wohnungsrecht an einer vom Kläger mit seiner Schwester A zu erwerbenden Eigentumswohnung in der Y-straße in Z einzuräumen, der Schwester ein nach Maßgabe der Bestimmung des § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) abänderbares monatliches Taschengeld in Höhe von 200 DM zu zahlen sowie allein zu ihren Gunsten die Bezahlung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung anstelle des Vaters zu übernehmen. Unmittelbare Ansprüche der Schwester aus dem Vertrag waren von der notariell zu beurkundenden Annahme desselben abhängig, die am 12. April 1995 erfolgte. Auf den Vertrag und die Annahmeerklärung vom 12. April 1995 wird ergänzend Bezug genommen.
In seinen ESt-Erklärungen machte der Kläger Aufwendungen aufgrund der gegenüber der Schwester übernommenen Verpflichtungen in Höhe von (...) geltend und beanspruchte jeweils deren steuerliche Berücksichtigung als Sonderausgaben (dauernde Last) bzw. außergewöhnliche Belastung. Die Aufwendungen setzten sich im Wesentlichen aus Taschengeldzahlungen, Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen, Schuldzinsen und sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung der Wohnung in der Y-str. in Z sowie Abschreibungen für Abnutzung der Wohnung und von Einrichtungsgegenständen zusammen. Auf die jeweiligen Anlagen "Dauernde Lasten" zu den ESt-Erklärungen wird ergänzend verwiesen.
Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen weder in den ESt-Bescheiden vom 30. Juli 1997 für das Jahr 1994, vom 12. September 1997 bzw. 7. Dezember 2000 für das Jahr 1995, vom 3. Dezember 1999 für das Jahr 1996 und vom 23. Februar 2000 für das Jahr 1997 noch in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. August 2004 zu den hiergegen jeweils e gelegten Einsprüchen.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter (...)
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die geltend gemachten Aufwendungen des Klägers bei der Festsetzung der ESt in den Streitjahren zu Recht weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt. Dem Abzug der geltend gemachten Aufwendungen steht § 12 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung entgegen.
Als Sonderausgaben abziehbar sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Zu den dauernden Lasten gehören auch lebenslängliche Versorgungsleistungen, die anlässlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Versorgungsleistungen an den Übergeber oder etwa die Geschwister des Übernehmers zu erbringen sind. Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben beruht dabei auf dem Umstand, dass der Vermögensübergeber sich oder Dritten in Gestalt der bei Versorgungsleistungen typischen Weise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847; ständige Rspr.).
Die Kläger können aber keine dauernde Last abziehen, weil die Übertragung des Grundstücks unter Vorbehalt des Nießbrauchs nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, keine Vermögen...