rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen an die Schwester nach vorweggenommener Erbfolge
Leitsatz (redaktionell)
Bei vorbehaltenem Totalnießbrauch liegt keine Vermögensübergabe i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG vor. Keine Bindung des Gerichts an eine Norm interpretierende Verwaltungsanweisung. Leistungen an die Schwester sind nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig, wenn deren Unterhalt durch Unterhaltsansprüche an den Vater und ggf. durch Sozialleistungen sichergestellt war.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 33a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die vom Kläger in den Streitjahren aufgrund eines Vertrages zur Überlassung von Grundbesitz unter Vorbehalt des Totalnießbrauchs gegenüber seiner Schwester erbrachten Leistungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) zu berücksichtigen sind.
Der Kläger wurde im Streitjahr 1994 bei dem Finanzamt München II einzeln sowie in den Streitjahren 1995, 1996 und 1997 bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA) mit der Klägerin zusammen zur ESt veranlagt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag zur Überlassung von Grundbesitz vom 21. Dezember 1994 (Vertrag) überließ der Vater des Klägers u. a. dem Kläger das vermietete Grundstück mit Wohnhaus in X (Grundstück), im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Im Gegenzug übernahm der Kläger eine an dem Grundstück bestellte Grundschuld zu 220.000 DM nebst der dieser Grundschuld zugrunde liegenden Verbindlichkeit des Vaters des Klägers gegenüber einer Bank und bestellte an dem Grundstück zugunsten des Vaters einen Nießbrauch auf Lebenszeit. Weiter verpflichtete sich der Kläger in diesem Vertrag gemeinsam mit seiner Schwester A, seiner schwerbehinderten Schwester B (Schwester) auf Lebenszeit ein mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gesichertes Wohnungsrecht an einer vom Kläger mit seiner Schwester A zu erwerbenden Eigentumswohnung in der Y-straße in Z einzuräumen, der Schwester ein nach Maßgabe der Bestimmung des § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) abänderbares monatliches Taschengeld in Höhe von 200 DM zu zahlen sowie allein zu ihren Gunsten die Bezahlung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung an Stelle des Vaters zu übernehmen. Unmittelbare Ansprüche der Schwester aus dem Vertrag waren von der notariell zu beurkundenden Annahme desselben abhängig, die am 12. April 1995 erfolgte. Auf den Vertrag und die Annahmeerklärung vom 12. April 1995 wird ergänzend Bezug genommen.
In seinen ESt-Erklärungen machte der Kläger Aufwendungen aufgrund der gegenüber der Schwester übernommenen Verpflichtungen in Höhe von 36.245,41 DM für 1994, 39.991,68 DM für 1995, 40.005,49 DM für 1996 und 42.261,72 DM für 1997 geltend und beanspruchte jeweils deren steuerliche Berücksichtigung als Sonderausgaben (dauernde Last) bzw. außergewöhnliche Belastung. Die Aufwendungen setzten sich im Wesentlichen aus Taschengeldzahlungen, Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen, Schuldzinsen und sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung der Wohnung in der Y-str. in Z sowie Abschreibungen für Abnutzung der Wohnung und von Einrichtungsgegenständen zusammen. Auf die jeweiligen Anlagen „Dauernde Lasten” zu den ESt-Erklärungen wird ergänzend verwiesen.
Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen weder in den ESt-Bescheiden vom 30. Juli 1997 für das Jahr 1994, vom 12. September 1997 bzw. 7. Dezember 2000 für das Jahr 1995, vom 3. Dezember 1999 für das Jahr 1996 und vom 23. Februar 2000 für das Jahr 1997 noch in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. August 2004 zu den hiergegen jeweils eingelegten Einsprüchen. Zur Begründung führte das FA im Wesentlichen aus, als Sonderausgaben in vollem Umfang abziehbare dauernde Lasten lägen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und nach dem BMF-Schreiben vom 23. Dezember 1996 IV B 3-S 2257-54/96, BStBl I 1996, 1508 (BMF-Schreiben vom 23. Dezember 1996) nur vor, wenn eine Existenz sichernde und Ertrag bringende Wirtschaftseinheit übertragen werde. Hierzu gehöre jedoch nicht Vermögen, dessen gesamte Erträge sich der Übergeber mittels eines Nießbrauchs vorbehalten habe. Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 23. Dezember 1996 seien nach der Übergangsregelung in Textziffer 58 und 59 anzuwenden, da der Vertrag nach dem Stichtag 30. September 1992 geschlossen worden sei. Bereits vor Ergehen des BMF-Schreibens vom 23. Dezember 1996 sei seit der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 25. März 1992 X R 100/91 am 30. September 1992 im Bundessteuerblatt (BStBl II 1992, 803) geregelt, dass die Berücksichtigung von dauernden Lasten in Fällen des Totalnießbrauchs nicht in Betracht komme. Die Aufwendungen könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, da sie dem Kläger nicht zwangsläufig erwachsen seien. Zum einen beruhten die Leistungen an die Schwester auf einer freiwillig durch Vertrag begründeten Rechtspflicht, andererseits seien Geschwister nach den zivilrechtlichen Bestimmungen gegenseitig ...