Leitsatz
Die Nennung lebzeitig verschenkter Vermögensgegenstände unter den Nachlassaktiva eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist nicht geeignet, den Auskunftsanspruch nach den §§ 2314 Abs. 1 zu erfüllen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2008 – I-7 W 100/07
Aus den Gründen
1. Sachverhalt
Im Rahmen eines Stufenklage-Verfahrens hatte das zuständige Landgericht den Erben verurteilt, dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft – unter anderem – wie folgt zu erteilen:
Zitat
" ... wird verurteilt, "
1. dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses ... durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses;
2. dem Kläger Auskunft zu erteilen über die von dem Erblasser gegenüber dem Beklagten gemachten ausgleichspflichtigen Schenkungen im Sinne von § 2316 BGB sowie über während der letzten 10 Jahre vor seinem Tod dem Beklagten oder dritten Personen gemachte Schenkungen im Sinne von § 2325 BGB, wobei auch Schenkungen im Sinne von § 2330 BGB erfasst sein müssen, durch die Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Verzeichnisses.“
Der Erbe erteilte sodann dem Pflichtteilsberechtigten mit notariellem Nachlassverzeichnis Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Hierbei nahm er Bezug auf das vorgenannte Urteil des Landgerichts und gab dessen Urteilstenor in der notariellen Urkunde wörtlich wieder. Der Notar belehrte den Erben ausdrücklich über seine Verpflichtung zur Wahrheit sowie zur Vollständigkeit der von ihm zu machenden Angaben, woraufhin der Erbe erklärte, dass er seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig abgebe. Unter der Überschrift "Aktiva des Nachlasses” wies der Erbe neben den tatsächlich im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Vermögensgegenständen des Erblassers auch ein ihm durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten zugewendetes Hausgrundstück aus, dessen Wert er ebenfalls benannte. Einen gesonderten Abschnitt betreffend lebzeitige Zuwendungen enthielt das notarielle Nachlassverzeichnis nicht. Es beschränkte sich vielmehr auf die bereits erwähnten Aktiva des Nachlasses sowie die Passiva. "
Nach Vorlage des Verzeichnisses begehrte der Pflichtteilsberechtigte zunächst außergerichtlich die Ergänzung des Nachlassverzeichnisses. Als dies erfolglos blieb, betrieb er die Zwangsvollstreckung, da der Erbe seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung über ausgleichungspflichtige Schenkungen des Erblassers an ihn selbst oder Dritte nicht nachgekommen sei.
2. Rechtliche Würdigung
Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht gaben dem Zwangsvollstreckungsantrag des Pflichtteilsberechtigten statt. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers sowie über pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkungen sei durch das vorgelegte Nachlassverzeichnis nicht erfüllt worden.
Die Auflistung des lebzeitig verschenkten Grundbesitzes unter der Rubrik "Nachlass Aktiva, Grundstücke" sei auch im Zusammenhang mit den Erklärungen des Erben gegenüber dem Notar, alle Angaben wahrheitsgemäß und vollständig abgegeben zu haben, nicht geeignet, die Verpflichtung zur Auskunftserteilung zu erfüllen. Aus dem Zusammenhang der Gesamturkunde lassen sich – trotz der Inbezugnahme des entsprechenden Urteilstenors – nicht erkennen, dass und in welchem Umfang sich der Erbe zu dem Vorliegen ausgleichspflichtiger Zuwendungen und (sonstiger) Schenkungen nach allen titulierten Varianten, §§ 2316, 2325, 2330 BGB, erklärt habe. Die fehlende Negativerklärung in der notariellen Urkunde lasse keine Rückschlüsse darüber zu, ob der Erbe unter dem Gesichtspunkt ggf. ausgleichungspflichtiger Zuwendungen und sonstiger lebzeitiger Schenkungen und in Kenntnis der insoweit für eine Beurteilung dieser Rechtsbegriffe relevanten Tatsachen seine Erklärung abgegeben habe.
2 Anmerkung
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist dringend zu empfehlen, in Nachlassverzeichnissen (gleichgültig, ob privatschriftlichen oder notariellen) stets sämtliche etwa in Betracht kommenden Auskunftsverpflichtungen ausdrücklich anzusprechen. Die materielle Vollständigkeit der Angaben ist im Zweifelsfall nicht ausreichend, bestehende Auskunftsansprüche zu erfüllen. Es muss vielmehr eindeutig klargemacht werden, dass zu sämtlichen in Betracht kommenden Sachverhalten – insbesondere realer Nachlassbestand, pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkungen, Zuwendungen auf den Todesfall, Güterstand des Erblassers, ggf. Ausgleichsverpflichtungen (§ 2316 BGB) – Stellung genommen wird, und ggf. ihr Nichtvorliegen ausdrücklich zu bekunden.
Dr. Christopher Riedel LL.M., Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Düsseldorf