Ausgangspunkt aller erbrechtlichen Gestaltungsbetrachtungen im Kontext von Erblasserfreiheit einerseits und Erbenfreiheit andererseits ist die Testierfreiheit; grundrechtlich garantiert in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Sie sichert in erster Linie den Freiheitsraum des Erblassers, während der durch die erbrechtliche Lage Begünstigte nur "insoweit" den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt. Erst vom Eintritt des Erbfalls an kann sich auch der – über die von Verfassungswegen verbürgte erbrechtliche Lage – begünstigte Erbe auf den Schutz des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Institutsgarantie des Pflichtteilsrechts 2005 noch einmal bekräftigt und in seinem neuesten Beschluss vom März 2009 zementiert, denn "Grundrechtsschutz kann der begünstigte Erbe nur in dem jeweils vom Erblasser gewählten Umfang erlangen". Damit ist das Abhängigkeitsverhältnis festgelegt, wie es von Kroppenberg überzeugend herausgearbeitet worden ist.
Das Grundrecht des Erben ist danach derivativ – also vom Erblasser abgeleitet. Für die Testierfreiheit ist dagegen die ungebundene Ausprägung der Privatautonomie charakteristisch, denn der Erblasser enthält potenziellen Zuwendungsempfängern niemals etwas vor, was sie von ihm fordern könnten, worauf sie mithin einen Anspruch gemäß § 194 BGB hätten. Erbenrechte sind danach nichts mehr als bloße Reflexe der Erblasserfreiheit. Der Erbe genießt dann so weit Grundrechtsschutz, wie sein Erwerb Ziel der Maßnahme des Erblassers ist. In erster Linie ist damit die Testierfreiheit durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Daraus folgt zwangsläufig auch eine abstufende Gewichtung der Erbenfreiheiten gegenüber den Erblasserfreiheiten.
Dem entspricht der rechtliche Ansatz des Bundesgerichtshofs. Ausgehend vom Grundsatz der in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Testierfreiheit, der es Erblassern gestattet, nach freiem Ermessen über ihr Vermögen zu verfügen, befasst sich der Senat folgerichtig erst anschließend mit der Prüfung von Schranken dieser Erblasserfreiheit zum Schutz der Erbenfreiheit bei als unangemessen empfundenen Verfügungen von Todes wegen. Das Erbrecht hält dafür das sozialstaatlich und durch Art. 6 GG legitimierte Pflichtteilsrecht bereit. Hinzu kommen die Generalklauseln der §§ 134, 138 BGB mit der über sie Einfluss nehmenden Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist. Über eine auf diesem Weg eröffnete Korrektur des Erblasserwillens, also die Begrenzung der Erblasserfreiheit – so der Senat abschließend bei der Festlegung des rechtlichen Prüfungsprogramms –, hat aber nicht der Richter nach eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen zu entscheiden; Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit von letztwilligen Verfügungen können nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden.
Dabei konnte sich der Senat auf eine seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung beziehen, die wie etwa 1982 zum Geliebtentestament oder 1990 zum Behindertentestament Beschränkungen der Testierfreiheit zugunsten nächster Angehörigen über § 138 BGB nur in
"besonders hervorstechenden Ausnahmefällen"
billigte. Das hat damals wie heute uneingeschränkt Geltung und wird auch nicht durch neuere Rechtsprechung des Senats wie etwa zum Behindertentestamenten infrage gestellt.
Ottes Auffassung, es handele sich dabei um eine Leerformel, ist bloß phonetisch zuzustimmen. Denn mit dieser Formulierung sollte durchaus iS einer Lehrformel die sehr hohe Eingriffshürde festgelegt werden, die sicher nicht bereits dann erreicht oder gar überschritten ist, wenn vereinzelt oder im Allgemeinen eine andere Handlungsweise des Erblassers als sittlich vorzugswürdiger angesehen wird.
Diese Grundsätze spiegeln die zuvor beschriebenen Abhängigkeiten und Gewichtungen der konfligierenden Freiheitsräume wider und geben – entgegen Otte – sehr wohl auch Auskunft über mögliche Rangunterschiede der von der jeweiligen letztwilligen Verfügung insgesamt betroffenen Freiheiten. Dies zu beachten, schützt vor der Gefahr, Sittenwidrigkeitsprüfungen eher in Abhängigkeit vom subjektiven Vorverständnis des jeweiligen Beurteilers erscheinen zu lassen, und vor einer Verschiebung der Gewichte bzw. – um im Bild zu bleiben besser – der Größe der Freiheitsräume zueinander. Dass das Bundesverfassungsgericht jetzt dem Erbrechtssenat in seiner Sicht bis in die Formulierung hinein den Rücken gestärkt hat, belegt, dass er den richtigen Weg an sich nie verloren hat.
Schlagsatzartig zusammengefasst steht nach der Urfaustregel der Erblasserwille im Vordergrund und dominiert bloße Erberwartungen. Das ist mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung zu vereinbaren. Daraus ergibt sich die auf Ausnahmefälle von besonderer Bedeutung, mit zusätzlichem Rechtfertigungs- und Begründungserfordernis beschränkte Korrektur- oder gar Kassationskompetenz gegenüber letztwilligen Verfügungen. Allein aus dem Freiheitsraum vo...