Leitsatz
1. Das Fiskuserbrecht des Staates gemäß dem ab 1962/1964 geltenden Recht der UdSSR ist als privates Erbrecht zu qualifizieren, hier Art. 117 Abs. 3 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken vom 8. Dezember 1961 (GU) und Art. 527 Abs. 3, 552 Abs. 1 Nr. 2 des Zivilgesetzbuchs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik vom 11. Juni 1964 (ZGB/RSFSR-1964).
2. Die Regelung des Art. 532 ZGB/RSFSR-1964, nach der ein Cousin nicht zu den gesetzlichen Erben gehört, verstößt schon abstrakt nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public).
Kammergericht, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 1 W 45/09
Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff FGG iVm Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG), jedoch nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG iVm §§ 546 f ZPO).
Die Annahme des Landgerichts, der Beteiligte sei auch hinsichtlich der im Inland belegenen Nachlassgegenstände nicht Erbe der Erblasserin, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erbfolge richtet sich gemäß Art. 220 Abs. 1 EGBGB iVm Art. 24, 25 EGBGB aF insgesamt nach dem Recht der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) als dem Staat, dem die Erblasserin zum Todeszeitpunkt angehörte (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 45. Aufl., Art. 24 EGBGB Anm. 2). Danach ist der Beteiligte nicht Erbe, weil die Erblasserin kein Testament hinterlassen hat und er nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört, Art. 117 ff der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken vom 8. Dezember 1961 (GU) und Art. 527 ff iVm Art. 8 Nr. 5, 567 des Zivilgesetzbuchs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik vom 11. Juni 1964 (ZGB/RSFSR-1964). Deutsches Erbrecht kommt nicht zur Anwendung.
Eine Nachlassspaltung nach Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vom 25. April 1958 (BGBl 1959 II S. 232) ist nicht eingetreten. Dafür genügt es nicht, dass die Erblasserin als Rechtsnachfolgerin des 1976 verstorbenen G. W. Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem 1929 verstorbenen S. V. war, zu dessen Nachlass ein Grundstück in Berlin-Charlottenburg gehörte. Selbst wenn der Konsularvertrag auch für Berlin (West) gegolten hätte und die gesamthänderische Beteiligung an einem Grundstück als unbewegliches Vermögen zu qualifizieren wäre (vgl. BGH, NJW 2001, 2396 verneinend zu § 25 Abs. 2 RAG/DDR), ist diese jedenfalls durch die Übereignung des Grundstücks an einen Dritten vor dem Tod der Erblasserin entfallen. Der auf ein Bankkonto eingezahlte anteilige Kaufpreis (die Forderung gegen die Bank) ist kein unbeweglicher Nachlassgegenstand iSv Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrags, auf den deutsches Recht Anwendung finden könnte. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss sowie im Beschluss vom 14. Februar 1996 – 87 T 83/95 verwiesen.
Hinsichtlich der im Inland befindlichen Nachlassgegenstände ist deutsches Erbrecht auch nicht ersatzweise oder aufgrund einer ungeschriebenen Rückverweisung (Art. 27, 28 EGBGB aF) deshalb anzuwenden, weil der Nachlass gemäß Art. 117 Abs. 3 GU, Art. 527 Abs. 3, 552 Abs. 1 Nr. 2 ZGB/RSFSR-1964 dem Staat als Erben angefallen ist. Dem Erbstatut untersteht auch die Frage, welches Recht der Fiskus an einem erbenlosen Nachlass hat (Senat, IPRspr 1973 Nr. 105; Palandt/Thorn, BGB, 69. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn 10; Soergel/Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn 29; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rn 203; MüKo/Birk, BGB, 4. Aufl., Art. 25 Rn 173). Anderes gilt allenfalls, wenn nach dem zur Anwendung berufenen ausländischen Recht das Fiskuserbrecht nicht – wie z. B. in § 1936 BGB – als privates Erbrecht, sondern als hoheitliches Aneignungsrecht zu qualifizieren ist, wobei die Bestimmung nach der lex fori erfolgt (vgl. Senat, IPRax 1986, 41, 42 zum schwedischen Fiskuserbrecht). Das Anfallsrecht des russischen Staates ist in Art. 117 GU, Art. 527, 552 ZGB/RSFSR-1964 aber als privates, grundsätzlich überall durchsetzbares Erbrecht und nicht als staatliches Okkupationsrecht ausgestaltet (vgl. Senat, aaO zu Sowjet-Russland; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl. (1989), S. 223; Bungert, MDR 1991, 713; Graupner/Dreyling, ZVglRWiss 82 (1983), 193, 195; Schroeder, DNotZ 1964, 645, 666; aA Bilinksy, ROW 1982, 17, 22; unklar Ferid/Bilinsky, Internationales Erbrecht, Stand Juni 2010, UdSSR, Rn 95).
Art. 117 Abs. 3 GU – seit Mai 1962 unmittelbar geltendes Recht in der gesamten UdSSR (vgl. Ferid/Bilinsky, aaO, Hinweise S. 1, Rn 44) – bestimmt, dass das Vermögen des Erblassers durch Erbfolge auf den Staat übergeht. Dem entspricht die Regelung unter Art. 552 Abs. 1 ZGB/RSFSR-1964, die zudem nicht zwischen dem Staat als testamentarischem Erben (Nr. 1) und als Ersatzerben (Nr. 2–4) unterscheidet. Der Staat haftet wie der private Erbe für Nachlassverbindlichkeiten (Art. 553 ZGB/RSFSR-1964) und...