Lebte ein deutscher Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in der Schweiz, stellt sich die Frage, ob der Erwerb von Todes wegen beim zuständigen Finanzamt in Deutschland gem. § 30 Abs. 1 ErbStG anzuzeigen ist.
Die Anzeigepflicht besteht dann, wenn es sich um einen der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb (§ 1 ErbStG) handelt. Der Erwerber ist verpflichtet, binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Erbanfall den Erwerb dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Nach § 30 Abs. 3 S. 1, 1. Halbs. ErbStG besteht eine Ausnahme von der Anzeigepflicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deut-schen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Die Ausnahme soll aber wiederum dann nicht gelten, wenn zum Erwerb Auslandsvermögen gehört (§ 30 Abs. 3 S. 1, 2. Halbs. ErbStG).
Diese Rückausnahme ist vor allem in Wegzugsfällen kritisch zu hinterfragen, da ein pflichtwidriges Unterlassen der Anzeige den Beginn der steuerlichen Festsetzungsverjährung verschieben kann. Gem. § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 1, 2 AO) erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt. Problematisch ist auch, dass bei Kenntnis von der pflichtwidrigen Nicht-Anzeige nicht nur steuerstrafrechtliche Folgen bestehen (§§ 370, 371 AO), sondern sich zudem die Festsetzungsverjährung von 4 (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) auf 10 Jahre verlängert (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO).
Lebte der Erblasser im Zeitpunkt des Todes in der Schweiz und sind sowohl Vermögenswerte in der Schweiz als auch in Deutschland vorhanden, stellt sich die Frage, ob eine Anzeige gem. § 30 Abs. 1 ErbStG in Deutschland zu erfolgen hat.
a) Unilaterale Anknüpfungsmerkmale und Anzeigepflicht
Grundsätzlich gilt, das jeder steuerbare Erwerb (§ 1 ErbStG) in Deutschland anzeigepflichtig ist (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Eine Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung seitens des Finanzamts (§ 31 Abs. 1 S. 1 ErbStG) ist grundsätzlich ermessensfehlerhaft, wenn eine fehlende Steuerpflicht zweifelsfrei feststeht. Ebenfalls soll eine Anzeigepflicht nicht bestehen, wenn ausgeschlossen werden kann, dass eine Erbschaftsteuerpflicht besteht.
In Wegzugsfällen kann unter Umständen nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ob der Erwerb nun anzeigepflichtig ist. Die folgenden Anknüpfungstatbestände dürften aber grundsätzlich stets für die Anzeigepflicht gem. § 30 Abs. 1 ErbStG sprechen.
Im deutschen Besteuerungssystem wird zwischen der sog. unbeschränkten und der sog. beschränkten Erbschaft- und Schenkungssteuerpflicht unterschieden. Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst den gesamten Vermögensanfall inklusive Auslandsvermögen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Die Inländer-Eigenschaft sowohl des Erblassers als auch des Erwerbers begründen die unbeschränkte Steuerpflicht. Grundsätzlich gelten als Inländer natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 lit. a ErbStG) oder deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 lit. b ErbStG). Gerade diese sog. erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht führt bei Deutschen, die im Zeitpunkt ihres Todes nicht länger als fünf Jahre in der Schweiz gelebt haben, wiederum dazu, dass die Erbschaftsteuerpflicht – selbst bei nicht vorhandenem Vermögen in Deutschland – in Deutschland besteht und das Vermögen in der Schweiz erfassen wird. Der Gesetzgeber wollte hierdurch vermeiden, dass die Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland bei nur vorübergehender Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland entfällt.
Die beschränkte Steuerpflicht dagegen erfasst nur den Vermögensanfall, der aus Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Sie setzt voraus, dass weder Erblasser noch Erben Inländer sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 lit. a ErbStG).
Für deutsch-schweizerische Erbfälle kann die sog. erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gem. § 4 Abs. 1 AStG bedeutsam werden, wenn der Erblasser in die Schweiz verzogen und für ihn die sog. Wegzugsbesteuerung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 AStG anzuwenden ist. "Erweiterte" beschränkte Steuerpflicht deshalb, da über den in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG genannten Umfang hinaus, auch Teile des Vermögensanfalls der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen, ...