Leitsatz
Zur Entnahme der ihm nach § 2221 BGB zustehenden Vergütung aus dem Nachlass ist der Testamentsvollstrecker grundsätzlich berechtigt, Übermaßentnahmen können aber einen Entlassungsgrund i.S.v. § 2227 BGB darstellen. Das ist vor allem der Fall, wenn sich die Entnahme nicht einmal mehr in den Grenzen der Angemessenheit hält.
Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2019 – 2 W 66/19
1 Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Entlassung des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker hinsichtlich des Nachlasses der Erblasserin.
Die am … 1.2018 verstorbene Erblasserin war Reederin und frühere Alleinaktionärin der … Werft AG, eines mittelständischen Unternehmens mit ca. 100 Mitarbeitern. Von ihrem Ehemann … wurde sie … 2017 geschieden. Aus der Ehe sind zwei Töchter – die Beteiligten zu 3) und 4) – und eine Enkelin, die Beteiligte zu 5), Tochter der Beteiligten zu 4) – hervorgegangen.
Ein älteres gemeinsames Testament hatten die Eheleute bereits durch gemeinsames Testament vom … 2.2007 aufgehoben. In der Folgezeit hat die Erblasserin mehrfach neu testiert. Mit notariellem Testament vom 5.6.2007 setzte sie zunächst ihren Ehemann als Alleinerben sowie ihre Töchter und ihre Enkelin als Ersatzerbinnen ein und brachte verschiedene Vermächtnisse aus. Den Wert ihres Reinvermögens gab sie mit 7 Mio. EUR an. Nach Trennung von ihrem Ehemann bestimmte die Erblasserin durch notarielles Testament vom … 6.2009 die Beteiligte zu 3) zu ihrer Erbin zu ⅔ und die Beteiligte zu 5) zur Erbin zu ⅓. Sie ordnete Testamentsvollstreckung durch die Beteiligte zu 3) an und setzte wiederum Vermächtnisse aus.
Im Jahr 2009 benannte die Erblasserin eine bereits bestehende Gesellschaft der Familien-Firmengruppe in … Y-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH um und gründete die Beteiligte zu 1), die laut Satzung gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Bereich der Jugendhilfe und der Förderung der Erziehung verfolgt. Die Erblasserin setzte den mit ihr seit längerem befreundeten, als Rechtsanwalt und Honorarkonsul der Mongolei tätigen Beteiligten zu 2) sowohl als alleinigen Geschäftsführer der … Y-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH als auch als alleinigen Vorstand der Stiftung ein. In der Folgezeit übertrug die Erblasserin 94 % ihrer Anteile an der … Werft AG und die ihr gehörenden Grundstücke … 12/14 und 16 … Hamburg auf die … Y-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH. Die restlichen 6 % ihrer Anteile an der … Werft AG sowie 94 % ihrer Anteile an der … Y-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH übertrug sie auf die Stiftung. Der Beteiligte zu 2) war zugleich – neben Herrn K … – Vorstand der … Werft AG und Generalbevollmächtigter der Erblasserin.
Mit notariellem Testament vom 27.6.2011 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1) als ihre Alleinerbin ein. Zur Ersatzerbin für den Fall der Ausschlagung der Erbschaft durch die Stiftung bestimmte sie ihre Enkelin und bedachte diese zugleich mit einem aus den Erträgen des sechsprozentigen Anteils der Erblasserin an der … Y-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH zu zahlenden Vermächtnis. Die Erblasserin ordnete Testamentsvollstreckung an, wobei der Testamentsvollstrecker auch für die Verwaltung der vorgenannten Erträgnisse sowie Auszahlung von Teilbeträgen an die Enkelin bis zu deren 20. Geburtstag zuständig sein sollte. Sie bestimmte die Vergütung des Testamentsvollstreckers nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins in Fortentwicklung der "Rheinischen Tabelle" und setzte den Beteiligten zu 2), hilfsweise die Notarin Dr. B, als Testamentsvollstrecker ein. Sie erkannte den Testamentsvollstreckern für den Fall, dass sie das Amt nicht annehmen können oder wollen, das Recht zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers zu. Den Wert ihres Reinvermögens gab die Erblasserin mit 1,5 Mio. EUR an.
Die … Werft AG erzielte in den Jahren 2012 bis 2016 Gewinne, die überwiegend thesauriert wurden. Daraus ergab sich in der Bilanz 2016 des Unternehmens ein Eigenkapital von mehr als 11 Mio. EUR. Ab Dezember 2015 wurde das Segelschulschiff "Gorch Fock" der Bundesmarine in der Werft umfangreich instandgesetzt. In diesem Rahmen flossen erhebliche Zahlungen des Bundes (ca. 70 Mio. EUR) an die Werft. Gleichwohl kam es im Verlauf des Jahres 2018 zu einer angespannten Liquiditätslage der Werft, die schließlich im Februar 2019 einen Insolvenzantrag stellen musste. Das Insolvenzverfahren wurde zwischenzeitlich eröffnet. Die … Werft AG hatte Liquidität u.a. durch Auskehrung von ungesicherten Darlehen in Höhe von mehr als 2 Mio. EUR an die Erblasserin und im Umfang von ca. 12 Mio. EUR an verschiedene von den Vorständen der … Werft AG kontrollierte Gesellschaften eingebüßt.
Nach dem Tod der Erblasserin nahm der Beteiligte zu 2) das Amt des Testamentsvollstreckers an und beantragte mit einem am 5.3.2018 beim Nachlassgericht Hamburg-Blankenese eingegangenen Schreiben ein Testamentsvollstreckerzeugnis, das ihm durch Beschl. v. 6.6.2018 in der Form der Dauertestamentsvollstreckung erteilt wurde. Am 5.9.2018 wurde der Beteiligen zu 1) ein Erbschein als Alleiner...