Einführung
Das Erbschaftsteuergesetz nennt in § 13 Abs. 1 Nr. 4a-4c ErbStG drei Steuerbefreiungen für Familienheime. Die Steuerbefreiung bei Übertragung zu Lebzeiten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) wurde 1996 als Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Steuerbarkeit unbenannter Zuwendungen in das Erbschaftsteuergesetz eingefügt. Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist es, die alte Rechtslage zumindest innerhalb des Kerns der ehelichen Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Die Steuerbefreiungen für Erwerbe des Familienheims durch Ehegatten und Kinder von Todes wegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG) wurden erst 2009 in das Erbschaftsteuergesetz eingefügt. Ihr Zweck ist es, den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen und schon zu Zeiten des Erblassers einen Anreiz für Grundvermögen zu setzen. Bei der Steuerbefreiung für Familienheime handelt es sich daher um eine Sozialzweck- und Lenkungsnorm. Dieser Aufsatz wird sich auf die Steuerbefreiungen bei Erwerben von Todes wegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG) beschränken.
Das "Familienheim" ist ein im Inland oder im EU-/EWR-Raum belegenes Grundstück im Sinne von § 181 Abs. 1 Nr. 1-5 BewG, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c S. 1 ErbStG). Voraussetzung der Steuerbefreiung ist zudem, dass der Erwerber die Wohnung unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
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Die Steuerbefreiung für Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a-4c ErbStG) ist aufgrund hoher Immobilienpreise von erheblicher Bedeutung für die steuerrechtliche Praxis. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung sind regelmäßig Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren. In dem im Januar erschienen ersten Teil dieser Aufsatzreihe wurde herausgearbeitet, dass das Erbschaftsteuerrecht trotz seiner bürgerlich-rechtlichen Prägung stets bedeutungsoffen auszulegen ist. Anhand des konkreten Beispiels der Steuerbefreiung für Familienheime soll nun untersucht werden, ob dieser Grundsatz der bedeutungsoffenen Auslegung auch in der Rechtspraxis eingehalten wird. Die Auslegung der zivilrechtlich vorgeprägten Begriffe "Eigentum" und "Grundstück" durch die Finanzgerichte soll kritisch überprüft werden. Die Bedeutung des Begriffs "Grundstück" in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist auch Gegenstand eines derzeit beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahrens (Az. II R 29/19).
I. Verfassungsrechtlicher Hintergrund der Steuerbefreiung
Für das Verständnis der Steuerbefreiungen für das Familienheim ist es zudem hilfreich, ihren verfassungsrechtlichen Hintergrund zu kennen. In Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss des II. Senats zur Privilegierung von Betriebsvermögen (§ 13a, § 13b ErbStG a.F.) regten sich auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuerbefreiungen für das Familienheim. Der II. Senat des BFH entschied 2013, dass die Steuerbefreiungen eng auszulegen seien, um die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift zu wahren. Bei weiter Auslegung sei die Privilegierung von Immobilienvermögen gegenüber anderen Vermögensgegenständen nicht mehr durch einen hinreichenden sachlichen Grund – wie beispielsweise den Schutz des familiären Lebensraums (vgl. Art. 6 Abs. 1 GG) – gerechtfertigt. Dadurch werde Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Dieser Auffassung sind auch Teile der Literatur gefolgt. Auch heute ist der BFH der Auffassung, eine einschränkende Auslegung sei zur Wahrung der Verfassungsmäßigkeit der Steuerbefreiung geboten. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Steuerbefreiung wurde jedoch bisher nicht entscheidungserheblich, so dass eine Vorlage an das BVerfG ausgeblieben ist.
II. Die Auslegung der zivilrechtlichen Tatbestandsmerkmale
Die Legaldefinition des Familienheims umfasst zwei Begriffe, die zivilrechtlich vorgeprägt sind: Eigentum und Grundstück. Die Begriffe Eigentum und Grundstück werden für beide Steuerbefreiungen identi...