War die EuErbVO in der vom BGH entschiedenen Sache nicht anwendbar, so konnten die Parteien auch keine konkludente Rechtswahl auf der Grundlage der EuErbVO treffen. Da aber die Ausführungen des BGH zur konkludenten Rechtswahl über den entschiedenen Fall hinaus von Bedeutung sind, sollen sie hier gleichwohl überprüft werden. Dabei zeigt sich, dass der von der EuErbVO gesetzte regulatorische Rahmen (1.) die Annahme einer konkludenten Wahl des deutschen Rechts für die Frage der Bindungswirkung des Testaments von 1996 nicht trägt (2.).

1. Der regulatorische Rahmen der EuErbVO

Gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO kann "[e]ine Person … für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört" (meine Hervorhebung). Die Rechtswahl kann gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder muss sich "aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben"; Letzteres wird als konkludente Rechtswahl bezeichnet.[41] Für Erbverträge bestimmt Art. 25 Abs. 3 EuErbVO, dass "die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen [können], das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können" (meine Hervorhebung).

Zur Rechtswahl berechtigt sind also gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO "eine Person" und gemäß Art. 25 Abs. 3 EuErbVO "die Parteien". Die unterschiedlichen Formulierungen rechtfertigen sich aus der Definition des Erbvertrags in Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO, der eine "Vereinbarung" erfordert. Aufgrund der Verweisung in Art. 25 Abs. 3 EuErbVO auf Art. 22 EuErbVO kann nicht nur das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht, sondern auch das sogenannte Errichtungsstatut konkludent gewählt werden. Allerdings kann der EuErbVO nur wenig darüber entnommen werden, wann von einer konkludenten Rechtswahl auszugehen ist. Neben dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO geben nur die Erwägungsgründe 39 und 40 Hinweise darauf, was die Verordnungsgebenden unter einer konkludenten Rechtswahl verstanden haben.

[41] Dutta, in: MüKo (o. Fn 17), Art. 22 EuErbVO Rn 13.

2. Die Auslegung der EuErbVO durch den BGH

a) Autonome Auslegung von Art. 22 Abs. 2 Alt. 2

Im Zentrum des Beschlusses vom 24.2.2021 steht die Frage, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut zu entscheiden ist.[42] Der BGH schließt sich der herrschenden Meinung an, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, unionsautonom auszulegen sei, und begründet das mit umfangreichen Ausführungen zur Auslegung von Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO.

Dem BGH ist zuzustimmen, dass eine unionsautonome Auslegung geboten ist. Dieser bereits ausführlich geführten Diskussion soll hier nicht ein weiterer Beitrag hinzugefügt werden. Allerdings hätte der BGH das Fehlen von Anhaltspunkten für ein Erklärungsbewusstsein der Testierenden bezüglich einer Rechtswahl nicht nur bei der Frage der Entscheidungserheblichkeit,[43] sondern auch bei der Prüfung des Vorliegens einer konkludenten Rechtswahl berücksichtigen müssen.

[42] BGH ZErB 2021, 183 Rn 15–23.
[43] BGH ZErB 2021, 183 Rn 15.

b) Feststellung einer konkludenten Wahl deutschen Rechts

Der BGH begründet seine Annahme einer konkludenten Rechtswahl jedoch ausschließlich mit einem Hinweis auf Erwägungsgrund 39 S. 2 EuErbVO,[44] in dem es heißt, "[e]ine Rechtswahl könnte als sich durch eine Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden, wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staats, dem er angehört, genommen hat oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat". Das ist nach Ansicht des BGH der Fall, weil "die Erblasserin und ihr Ehemann" mit dem Wort "Schlusserben" einen Begriff verwendet hätten, der im deutschen, nicht aber im österreichischen Recht verwendet werde, und weil die Ehegatten auf die Regelungen der §§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1 und 2 S. 1 BGB Bezug genommen hätten.[45] Dabei übersieht der BGH, dass Erwägungsgrund 39 S. 2 EuErbVO die Annahme einer konkludenten Rechtswahl gerade nicht trägt und auch andere Gesichtspunkte gegen eine konkludente Rechtswahl sprechen.

aa) Nach Erwägungsgrund 39 S. 2 EuErbVO könnte von der Verwendung bestimmter Begriffe und Konzepte nur dann auf das anwendbare Recht geschlossen werden, wenn dieses Recht das Recht des Staates wäre, dem der Erblasser angehört. Das ist aber gerade nicht der Fall, da der Ehemann der Erblasserin Österreicher war. Zumindest er hätte also nach dem Wortlaut des Erwägungsgrundes keine konkludente Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen. Das wäre aber erforderlich gewesen, weil gemäß Art. 25 Abs. 3 EuErbVO "die Parteien", also alle am Erbvertrag beteiligten Personen, das anwendbare Recht wählen.

Außerdem impliziert die Einsetzung von "Schlusserben" nicht zwingend eine Bezugnahme auf das deutsche Recht, sondern kann bei juristischen Laien – juristische Vorken...

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