Leitsatz
Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ist eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners. Beschränkt sich der Schuldner auf die Beantwortung von Fragen des Notars, ohne diesem von sich aus Auskünfte zu erteilen, tut er regelmäßig nicht alles in seiner Macht Stehende, um das notarielle Nachlassverzeichnis aufzunehmen, sodass grundsätzlich die Verhängung eines Zwangsgelds in Betracht kommt.
OLG München, Beschl. v. 10.11.2022 – 33 W 775/22
1 Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich.
I.
Der Kläger (= Gläubiger) hat die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den Beklagten (= Schuldner) beantragt, damit dieser ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegt.
Der Beklagte war durch Teilanerkenntnis-, Teilversäumnis- und Teilurteil des LG Memmingen v. 3.12.2020 zur Auskunftserteilung unter gleichzeitiger Vorlage von Belegen verurteilt worden. Auf die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil, mit dem er sich gegen die Verpflichtung zur Belegvorlage wendete, hat der Senat das Urteil des LG durch Urt. v. 23.8.2021 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Schuldner hat mit Schreiben vom 30.7.2020 das Notariat M. in K. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt, ohne dass dieses in der Folgezeit erstellt worden wäre. Mit Schreiben vom 11.2.2022 hat der Schuldner daraufhin das Notariat V. in B. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt.
Dieses Notariat forderte im Februar 2022 beim Schuldner Unterlagen an, die dieser am 4.3.2022 übersandte. Eine weitere Anfrage des Notariats wurde am 8.4.2022 beantwortet.
Für den 13.9.2022 war offenbar die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Notar geplant, der entsprechende Termine an die Parteivertreter mitgeteilt hatte. Nachdem der Rechtsanwalt des Gläubigers Einwände gegen den seitens des Notars übersandten Entwurf mit E-Mail v. 12.9.2022 geäußert hatte, wurde der Termin abgesagt, das Nachlassverzeichnis wurde seitdem nicht erstellt.
Der Gläubiger hatte bereits am 12.1.2022 gegen den Schuldner die Verhängung eines Zwangsgelds beantragt.
Das LG hat diesen Antrag mit Beschl. v. 2.6.2022 zurückgewiesen und der dagegen am 14.6.2022 eingelegten sofortigen Beschwerde mit Beschl. v. 19.8.2022 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insb. wurde sie fristgerecht erhoben.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.
a) Gem. § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.
aa) Grundsätzlich ist eine Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nur möglich, wenn die Berufung dagegen in vollem Umfang zurückgewiesen wurde (st. Rechtsprechung, zuletzt BGH, Beschl. v. 23.9.2021 – I ZB 20/21, NJW 2022, 393 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn keine wesentliche Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht erfolgt ist (BGH, a.a.O.).
bb) Vorliegend hat der Senat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zwar nicht vollständig zurückgewiesen, vielmehr das Urteil teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Allerdings erstreckt sich die Klageabweisung lediglich auf die vom Erstgericht angeordnete Vorlage von Belegen (die auch allein Gegenstand des Berufungsverfahrens war). Deshalb kann vorliegend die Vollstreckung ausnahmsweise aus dem landgerichtlichen Urteil erfolgen, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils durch die Entscheidung des Senats letztlich nur um die Belegvorlage abgeändert wurde und der Tenor des Berufungsurteils aufgrund dessen selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Hinzu kommt, dass dem Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung ausdrücklich in Verbindung mit dem Urteil des Senats erteilt worden ist.
b) Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gem. § 888 ZPO liegen (nunmehr) vor.
aa) Die Verpflichtung des Schuldners ist bisher nicht erfüllt; ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt nicht vor.
bb) Die Zwangsvollstreckung zur Erfüllung eines titulierten Anspruchs auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO (BGH ZEV 2019, 81 (82); Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2314 BGB Rn 94). Das gilt auch dann, wenn zur Vornahme der Handlung die Mitwirkung eines Dritten – hier des Notars – notwendig ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.2.2021, ZEV 2021, 577).
(1) Die Vollstreckung dient in diesem Fall dazu, den Willen eines Schuldners insoweit zu beugen, als dieser alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht Stehende zu tun hat, um den Notar zur erforderlichen Mitwirkung zu veranlassen (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 888 Rn 2). Dabei ist es für die Festsetzung einer Zwangsmaßnahme ge...