Dass es im deutsch-französischen Sprachengeflecht auch zu Anpassungen des ursprünglichen Rechts gekommen ist, wird mit dem Begriff der traditionellen Rezeption nicht mehr gänzlich erfasst. Daher wäre es ratsam gewesen, von Translation zu entsprechen, wofür sich Elsass-Lothringen vorzüglich als Forschungsgebiet ausweist. Dies haben wir bereits dargelegt und begründet im Aufsatz mit Plädoyer für die Translationsthese: Translation von Recht im mehrsprachigen Kontext. Das Beispiel von Elsass-Lothringen, Saarland und Luxemburg.
Mit Translation des Rechts sind die einzelnen Wechselströme gemeint, die bei der Berührung von Rechtsordnungen entstehen sowie die unmittelbare ganz konkrete Anwendung des Rechts in seinem neuen Kontext. Das Überwinden von Grenzen führt auf diese Weise zu neuer kultureller Kreativität. Eine Grenze hat es in der Grenz- und Großregion SaarLorLux bereits vor dem Code civil in Spätmittelalter und Früher Neuzeit gegeben.
Schauen wir im Folgenden genauer auf den Code civil von 1804 und Recht im mehrsprachigen Kontext am hier einschlägigen Beispiel Elsass-Lothringen.
Der Cc richtete sich nach dem herkömmlichen Institutionensystem aus: personae-res-actiones-Aufbau. Seine 2281 Artikel sind in drei Büchern gefasst: 1. Personenrecht (mit Familienrecht), 2. Sachenrecht (Regelung des Eigentums und der beschränkten Nutzungsrechte), 3. die verschiedenen Arten des Eigentumserwerbs (Erbrecht, eheliches Güterrecht, Obligationenrecht, Pfandrecht, Hypotheken und Verjährung). Beim Erbrecht ist zu sagen, dass der französische Code civil zwar nur gesetzliche Erben kannte, aber auch die Testierfreiheit; testamentarische Einsetzungen hatten allerdings nur den Charakter von Vermächtnissen (sog. Vindikationslegate). Der Cc nennt drei Formen der letztwilligen Verfügungen: das eigenhändige, das öffentliche und das verschlossene Testament. Von diesen hat das eigenhändige (holografische) Testament Eingang in das BGB gefunden. Dieses eigenhändige Testament des Cc wurde nicht vor Zeugen errichtet und unterschied sich damit vom römisch-rechtlichen testamentum holographum. Das eigenhändige Testament des Art. 970 Cc findet seine Entsprechung in § 2247 Abs. 1 BGB (dort sind die eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung als Muss-, Zeit- und Ortsangaben Soll-Vorschrift).
In Elsass-Lothringen begegnet das Sprachenpaar Französisch–Deutsch vor allem in den Jahren 1871–1918 sowie 1938–1945. Während der Einfluss des französischen Code civil sowie der vier weiteren vier napoleonischen Gesetzbücher auf Deutschland und die deutsche Rechtssprache vielfach besprochen wurde, so im prominenten Fall des Badischen Landrechts von 1809, widmen wir uns einem anderen Fall, der in der zweiten Hälfte des 19. und im 20. Jahrhundert spielt, nämlich dem "droit local" des ehemaligen "Elsass–Lothringen", seit 1911 auch "Reichsland" genannt (1871–1914).
Im Westfälischen Frieden von 1648 wurde festgesetzt, dass das Elsass und die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun dem Königreich Ludwigs XIV. zugeschlagen werden sollten. Der preußisch–französische Krieg von 1870 brachte die Niederlage der französischen Armeen. Frankreich unter Napoléon III. verlor das Elsass sowie einen Teil der Départements Mosel, Meurthe und der Vogesen, Gebietsteile, die auf deutscher Seite zu "Elsass–Lothringen" wurden.
Nach 1871 funktionierte in Elsass–Lothringen die Justiz zweisprachig. 1911 erhielt es eine verfassungsmäßige und administrative Autonomie, indem es "Reichsland" wurde, eine "terre d'Empire", welche schon seit ca. 1850 refranzösisiert worden war. 1918 kehrten die Gebietsteile wieder nach Frankreich zurück, ehe sie vom nationalsozialistisch beherrschten Deutschland für die Zeit zwischen 1940 und 1944 annektiert wurden. Aus dem oftmaligen Wechsel der Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat und dem damit verbundenen Sprachgebrauch kam es sowohl zu notwendigen Übersetzungsvorgängen der Rechts- und Gerichtssprache als auch zu Einströmungen des jeweils nationalen Rechts (deutsches oder französisches nationales Recht) nach Elsass–Lothringen: Zwischen 1871 und 1918 führte das Kaiserreich nach und nach seine Gesetze ein, beließ aber auch gleichzeitig gewisse bereits vorhandene Normen des französischen Rechts. Nach 1918 verlieh der französische Gesetzgeber dem französischen Recht erneut Geltung, was durch zwei Gesetze vom 1.6.1924 erfolgte, ohne zahlreiche Vorschriften des "droit local", zunächst übergangsweise, sodann dauerhaft, außer Kraft zu setzen. Ein Erlass vom 29.3.1919 bestimmte, dass die französische Sprache künftighin Gerichtssprache sein müsste, die in notariellen Akten und Gerichtstexten in "Elsass–Lothringen" zu benützen sei. 1924 setzte Frankreich des Weiteren fest, dass das lokale Recht in die französische Sprache übersetzt werden sollte, doch gibt es heute noch Rechtsnormen, deren Fassung in deutscher Sprache die allein verbindliche Version ist. Dabei umfasst das "droit local" die drei Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Mo...