Verzeihung im Sinne von § 2337 BGB ist einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1974 zufolge der nach außen kundgemachte Entschluss des Erblassers, aus den erfahrenen Kränkungen nichts mehr herleiten und über sie hinweggehen zu wollen. Diese Definition ist etwas missverständlich, da es allein auf die innere Einstellung des Erblassers als rein tatsächlicher seelischer Vorgang ankommt. Die Verzeihung darf nicht mit der Versöhnung verwechselt werden, die zwar zumeist, aber nicht notwendig mit der Verzeihung einhergeht. Die Wiederherstellung einer dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechenden innigen und liebevollen Beziehung ist nicht erforderlich. Andererseits genügt es nicht, dass der Erblasser des Familienfriedens wegen oder um das Zusammenleben erträglicher zu gestalten, gelegentliche persönliche Kontakte duldet oder sogar sucht.
Für eine Verzeihung ist entscheidend, ob der Erblasser das Verletzende der Kränkung noch "als existent betrachtet" oder nicht. Eine Verzeihung soll nicht notwendigerweise daran scheitern, dass der Erblasser eine bestimmte Art der Entschuldigung verlangt, sofern diese nicht auf die Beseitigung der Kränkung, sondern auf andere Zwecke gerichtet ist (etwa Demütigung oder Disziplinierung des Pflichtteilsberechtigten). Es reicht, wenn der Verzeihende in der Lage ist, die Bedeutung seines Handelns zu erkennen; Kenntnis der mit der Verzeihung eintretenden konkreten Rechtsfolgen ist nicht zu verlangen.
Die Verzeihung kann in einem tatsächlichen Vorgang erfolgen. In der bereits erwähnten Entscheidung des OLG Hamm vom Februar 2007 wurde eine Verzeihung der Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten durch den Erblasser bejaht. Nach Auffassung des Senats zeigte die materielle Unterstützung des Berechtigten durch den Erblasser, dass eine Verzeihung vorlag. Der Erblasser hatte einen Kredit in Höhe von 80.000 DM zugunsten des Pflichtteilsberechtigten aufgenommen, der sich in einer desolaten wirtschaftlichen Lage befand. Die vorgegangenen Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten habe der Erblasser nicht länger als kränkend empfunden, da er sich ansonsten später wohl kaum so stark für den Pflichtteilsberechtigten eingesetzt hätte.
Die außerordentlich geringen Anforderungen der Rechtsprechung an die Verzeihung stehen in einem deutlichem Widerspruch zu den unangemessen hohen Hürden, die für die wirksame Entziehung des Pflichtteils errichtet werden. Sie führen zu unerwünschten Nebenfolgen. Wird die Hürde für eine schlüssige Verzeihung abgesenkt, zwingt man den Erblasser, der sich verletzt fühlt, zu einer dauerhaften Abwendung vom Berechtigten, mindestens aber zu Schroffheiten. Es ist daher unverzichtbar, nur ein solches Verhalten als Verzeihung zu werten, das auch eine gewisse Versöhnungsbereitschaft zeigt. Dazu enthält das Urteil des OLG Hamm aber leider keine weiterführenden Angaben.