Prof. Dr. Werner Zimmermann
Das Nachlassgericht hat in Sachen der Testamentsvollstreckung wenig Aufgaben: Erteilung des Erbscheins mit Testamentsvollstreckervermerk (§ 2364 BGB), Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 BGB), Entscheidung eines Streits zwischen mehreren Testamentsvollstreckern (§ 2224 BGB), manchmal Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB), Außerkraftsetzung bestimmter den Nachlass gefährdender Anordnungen des Erblassers (§ 2216 II 2 BGB), Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB). Unter Geltung des FGG war anerkannt, dass für vorläufige oder einstweilige Anordnungen des Nachlassgerichts kein Raum ist.
Nach 49 I FamFG hingegen kann das Nachlassgericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Eine einstweilige Anordnung setzt jetzt kein gleichartiges Hauptsacheverfahren mehr voraus, das zwingend gleichzeitig einzuleiten wäre (§ 51 III 1 FamFG). Das Verfahren nach den §§ 49 ff FamFG stellt gewissermaßen eine Übertragung des Rechts der einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff ZPO) auf die freiwillige Gerichtsbarkeit dar. In Anordnungssachen kann eine Kostenentscheidung nach §§ 51 Abs. 4, 81 ff FamFG ergehen.
8.1 a)
Weisungen an Testamentsvollstrecker
Das Nachlassgericht hat kein allgemeines Aufsichtsrecht gegenüber einem Testamentsvollstrecker; insofern scheiden einstweilige Anordnungen aus, solange kein Berechtigter die Entlassung des Testamentsvollstreckers beantragt hat.
8.2 b)
Im Komplex der Entlassung eines Testamentsvollstreckers bedeutet § 49 FamFG, dass vom Nachlassgericht eine einstweilige Anordnung (Beschluss, §§ 38 ff FamFG) erlassen werden kann, wenn
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ein Berechtigter (z. B. der Erbe, vgl. § 2227 BGB) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (§ 51 FamFG); |
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ein "Anordnungsanspruch" vorliegt, also eine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage für den Anspruch, besteht, weil die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 2227 BGB vorliegen (nämlich Entlassungsantrag und wichtiger Grund). Der Antragsteller hat dies schlüssig vorzutragen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen (§§ 51, 31 FamFG). |
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ein "Anordnungsgrund", also ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden. Auch das ist vom Antragsteller schlüssig vorzutragen und hinsichtlich der Tatsachen glaubhaft zu machen (§§ 51, 31 FamFG). |
Die in Betracht kommenden Maßnahmen nennt § 49 Abs. 2 FamFG: Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann durch Beschluss eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Werden also die Voraussetzungen einer Entlassung glaubhaft gemacht und wird gleichzeitig ein Entlassungsantrag von einem Berechtigten gestellt, dann könnte das Nachlassgericht auf einen zusätzlichen Eilantrag hin durch einstweilige Anordnung dem Testamentsvollstrecker die Verfügung über alle oder bestimmte Nachlassgegenstände verbieten. Folge ist, dass vorübergehend niemand, auch nicht der Erbe, darüber verfügen kann.
Die Hauptsache darf aber nicht vorweggenommen werden; insofern ist die Anordnung auf vorläufige Maßnahmen beschränkt. Deshalb kann nicht durch einstweilige Anordnungen während des Entlassungsverfahrens ein vorläufiger anderer Testamentsvollstrecker bestellt werden; auch kann der bisherige Testamentsvollstrecker nicht "vorläufig" entlassen werden.
8.3 c)
Die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses durch einstweilige Anordnung wäre eine Vorwegnahme der Hauptentscheidung und scheidet daher aus.
8.4 d)
Die Einziehung eines unrichtigen Testamentsvollstreckerzeugnisses (§§ 2361, 2368 BGB) ist ein Verfahren, das von Amts wegen eingeleitet wird; "Anträge" in dieser Richtung sind in Wirklichkeit nur Anregungen (vgl. § 24 I FamFG). Die Einziehung durch einstweilige Anordnung scheidet aus, weil sie nicht nur eine vorläufige Maßnahme wäre (denn die Einziehung kann nicht rückgängig gemacht werden). Läuft aber ein Einziehungsverfahren, könnte dem Besitzer des unrichtigen Zeugnisses (falls die Unrichtigkeit sehr wahrscheinlich ist und ein dringendes Bedürfnis besteht) die Verfügung über Nachlassgegenstände verboten und die vorläufige Hinterlegung des Zeugnisses beim Nachlassgericht geboten werden (denn das ist keine Einziehung); hierzu ist kein Antrag erforderlich.
8.5 e)
Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung. Die einstweilige Anordnung tritt, sofern nicht das Gericht die Anordnung befristet hat, bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft (§ 56 I 1 FamFG), also z. B. mit Entlassung des Testamentsvollstreckers. In Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden, z. B. der Entlassung (§ 2227 BGB), tritt sie auch dann außer Kraft, wenn der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wird, der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist, die Hauptsache übereinstim...