Die §§ 130 bis 132 beinhalten Anfechtungstatbestände, die inhaltlich nicht mit den Anfechtungstatbeständen nach dem AnfG korrelieren. Deshalb spricht man hier von der "besonderen Insolvenzanfechtung".[56] Gleichwohl handelt es sich auch bei den Tatbeständen der §§ 133 ff um Formen der Insolvenzanfechtung.

Die einzelnen Anfechtungstatbestände unterscheiden sich neben der (Un-)Mittelbarkeit des Nachteils, nach objektiven und subjektiven Voraussetzungen sowie nach zeitlichen Grenzen.

3.1 Am weitesten wird die zeitliche Grenze im Falle der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung iSv § 133 gezogen. Hat der Schuldner eine Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen, seine Gläubiger zu benachteiligen, und war dem Empfänger dieser Vorsatz im Zeitpunkt (Definition in § 140) der Rechtshandlung bekannt, sind Rechtshandlungen im Zeitraum von zehn Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags bis zur Verfahrenseröffnung anfechtbar. Dabei genügt jede mittelbare Benachteiligung, z. B. der Verkauf eines Grundstücks unter Wert.[57] Beim Vorsatz des Schuldners genügt dolus eventualis. Auf Seiten des Anfechtungsgegners genügt grob fahrlässige Unkenntnis des Benachteiligungsvorsatzes nicht. Allerdings existiert in § 133 Abs. 1 Satz 2 eine (widerlegliche) Vermutungsregel zulasten des Anfechtungsgegners.[58] Wird ein entgeltlicher Vertrag mit einer nahestehenden Person vorgenommen, die zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führt, werden sowohl der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gegners gemäß § 133 Abs. 2 vermutet, sofern die Rechtshandlung innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden hat. Anders als bei der besonderen Insolvenzanfechtung nach den §§ 130 bis 132 ist es nicht möglich, reine Zwangsvollstreckungshandlungen nach § 133 anzufechten.[59]

3.2 Unentgeltliche Leistungen des Schuldners sind auch ohne jeden Benachteiligungsvorsatz anfechtbar, sofern sie innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden, § 134. Dazu zählen auch gemischte Schenkungen. In den Kontoauszügen des Erblassers finden sich bisweilen Hinweise auf geleistete Versicherungsprämien, so auch zu Lebensversicherungsverträgen. Die Anfechtung der ausbezahlten Versicherungssumme nach § 134 kann zu einer sprunghaften Vergrößerung der Masse führen.[60] War ein Bezugsrecht widerruflich eingeräumt, erlangt der Begünstigte erst mit dem Versicherungsfall, also dem Todesfall, eine dingliche Rechtsstellung. Die Auszahlung der Versicherungssumme ist als unentgeltliche Leistung anfechtbar.[61]

Im Falle eines unwiderruflichen Bezugsrechts entsteht die Berechtigung des Begünstigten mit der Einräumung. Liegt dieser Zeitpunkt weniger als vier Jahre zurück, kann sie ebenfalls nach § 134 angefochten werden.[62] Selbst wenn das unwiderrufliche Bezugsrecht vor mehr als vier Jahren eingeräumt wurde, kann der Insolvenzverwalter noch Masse gewinnen: Er kann die im Vier-Jahres-Zeitraum geleisteten Prämien anfechten.[63]

3.3 Als kongruente Deckung wird die Situation bezeichnet, dass ein Gläubiger Anspruch auf Sicherung oder Befriedigung hatte und tatsächlich nichts anderes bekommen hat als die geschuldete Sicherung bzw. Befriedigung. Hat ein solches Deckungsgeschäft in der Krise stattgefunden, ist es anfechtbar, wenn

es in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist, sofern der Schuldner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig war und der Gläubiger dies wusste (§ 130 Abs. 1 Nr. 1), oder
es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt entweder von der Zahlungsunfähigkeit oder vom Eröffnungsantrag wusste (§ 130 Abs. 1 Nr. 2).

Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht es nach § 130 Abs. 2 gleich, wenn der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag schließen lassen.[64] Bei nahestehenden Personen wird die Kenntnis widerlegbar vermutet, § 130 Abs. 3. Im Übrigen liegt die Beweislast für die Voraussetzungen der Anfechtung beim Insolvenzverwalter. Ein besonders häufiger Anwendungsfall sind Verrechnungen im Kontokorrent.[65] Jeder Nachlasspfleger oder -verwalter sowie ggf. Testamentsvollstrecker sollte schon aus Haftungsgründen darauf achten, zu Beginn seines Amtes die Kontoauszüge des Erblasserkontos über einen längeren Zeitraum einzuholen. Befindet sich nämlich das Erblasserkonto im Soll, sind aber innerhalb der Dreimonatsfrist aus § 130 InsO eingehende Zahlungen gutgeschrieben worden, können diese als kongruente Deckungen angefochten werden[66] – vorausgesetzt, es wird bald Insolvenzantrag gestellt.

3.4 Um eine inkongruente Deckung handelt es sich, wenn der Gläubiger etwas erlangt hat, das er nicht, nicht in der geleisteten Art oder nicht zu der geleisteten Zeit zu beanspruchen hatte. Beispiele sind die Erfüllung nicht fälliger oder verjährter Forderungen, Zahlungen zur Abwendung einer angedrohten Zwangsvollstreckung etc. Eine solche Rechtshandl...

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