Leitsatz
Für die Bemessung des Schmerzensgeldes bei einem Unfall mit tödlichem Ausgang ist auf die Dauer der Beeinträchtigung vor dem Tod abzustellen. Mildernd bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wirkt es sich aus, wenn der Verletzte sich bis zu seinem Tod durchgehend in einem Zustand der Empfindungsunfähigkeit oder Bewusstlosigkeit befunden hat.
OLG München, Urt. v. 06.12.2019 – 10 U 2848/19
1 Gründe
A. Die Kläger sind die Erben des bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall am 19.6.2014 gegen 11.30 Uhr schwer verletzten und am 8.4.2016 verstorbenen B. W. Gegenstand des Rechtsstreits sind noch offene Schadensersatzansprüche der Kläger als Erbengemeinschaft gegen den Beklagten zu 1) als Unfallbeteiligten und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung aus diesem Verkehrsunfall. Zudem machen die Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
Durch rechtskräftiges Teil-, End- und Grundurteil des Landgerichts Passau vom 11.9.2017 (Az. 4 O 199/17) – nach Maßgabe des Beschlusses des Senats vom 20.2.2018 (Az. 10 U 3404/17) – steht fest, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern Ersatz für Sach-, Vermögens- und Personenschäden zu leisten und auch für sämtliche künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 19.6.2014 gegen 11.30 Uhr auf der Staatsstraße 2138 bei Kilometer 1.770 im Gemeindegebiet von … L. haften, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Hinsichtlich materieller Schäden gilt dies zu zwei Dritteln, hinsichtlich immaterieller Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Verstorbenen B. W. von einem Drittel. Mit Ausnahme des Schmerzensgeldanspruches des Verstorbenen B. W. einigten sich die Parteien über die restlichen Ansprüche in einem Teil-Vergleich am 25.3.2019 vor dem Landgericht Passau.
Der Verkehrsunfall ereignete sich auf der Staatsstraße 2138 bei … L. B. W. gehörte dabei einer dreiköpfigen Motorradgruppe an, die die Staatsstraße entlangfuhr. Neben ihm selbst handelte es sich um den Beklagten zu 1) und den Zeugen K., wobei der Beklagte zu 1) voran, der Zeuge K. in der Mitte und B. W. am Ende fuhr. Nachdem der Beklagte zu 1) gemerkt hatte, dass er versehentlich eine falsche Route eingeschlagen hatte, drosselte er die Geschwindigkeit und setzte den Fahrtrichtungsanzeiger rechts. Da aber aufgrund Gegenverkehrs ein Wenden nicht möglich war, fuhr der Beklagte zu 1) mit verlangsamter Geschwindigkeit mit rechts gesetztem Fahrtrichtungsanzeiger gerade am rechten Fahrbahnrand entlang weiter, bis er eine gegenüberliegende Parkplatzzufahrt erreichte. Die Einfahrt in den gegenüberliegenden Parkplatz war nicht gestattet, ein Verkehrszeichen 209-30 ordnete an, dass geradeaus zu fahren war.
B. W. hatte zunächst zu beiden vorausfahrenden Motorrädern einen größeren Abstand, schloss dann aber auf und wollte seine fast stehenden, am rechten Fahrbahnrand sehr langsam fahrenden Mitfahrer überholen, als der Beklagte zu 1) den linken Fahrtrichtungsanzeiger setzte und ein Wendemanöver begann, indem er sein Motorrad von der rechten Fahrbahnseite nach links zur Fahrbahnmitte zog. B. W. versuchte zu bremsen, kam linksseitig zu Sturz, löste sich von seinem Motorrad und rutschte parallel zu diesem in das querende Fahrzeug des Beklagten zu 1). Der Verstorbene lag vom Unfalltag bis zu seinem Versterben aufgrund der Schwere der bei dem Unfall erlittenen Hirnschädigung im Koma, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird im Übrigen auf das angefochtene Urt. v. 6.5.2019 (Bl. 149/153 d.A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Erbengemeinschaft Kläger zu 1 bis 4 zur gesamten Hand einen weiteren Betrag von 125.000 EUR Schmerzensgeld nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.5.2015 zu bezahlen sowie die Kläger von den nicht anrechenbaren, außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosen in Höhe von 4.592,69 EUR brutto freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses den Beklagten am 8.5.2019 zugestellte Urteil legten die Beklagten mit einem beim Oberlandesgericht München am 5.6.2019 per Telefax eingegangenen Schriftsatz Berufung ein (Bl. 156/157 d.A.), die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 8.8.2019 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 162/172 d.A.) begründeten.
Die Beklagten beantragen, das Endurteil des Landgerichts Passau vom 6.5.2019 mit der Maßgabe aufzuheben, dass die Beklagten verurteilt werden, die Kläger von den nicht anrechenbaren, außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.326,63 EUR freizustellen und die Klage im Übrigen kostenpflichtig abzuweisen.
Die Kläger erwidern, dass die Höhe des zu erkennenden Schmerzensgel...