In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung erklärte das BVerfG Anfang diesen Jahres die Norm des § 217 StGB für verfassungswidrig. "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt," wurde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Vorschrift wurde nach jahrelanger Diskussion und Beratung am 6.11.2015 mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen. Die Mehrheit der Abgeordneten fürchtete eine Bedrohung schwächerer Mitglieder der Gesellschaft, ließe man solche professionalisierte Beihilfe zur Selbsttötung zu. Ziel war es damit, die Entwicklung der Suizidbeihilfe zu einem Dienstleistungsangebot zu verhindern. Ende 2015 hatte das BVerfG zunächst den Antrag mehrerer Sterbewilliger auf Aussetzung des Vollzugs der Norm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgelehnt. Es stellte einstweilen fest, dass die Beschwerdeführer als Suizidwillige nicht direkt Adressaten der Strafnorm seien, sondern sich diese an Suizidförderer richte und sie deshalb womöglich nicht in eigenen Rechten verletzt sind, was ein Abwarten der Hauptsache zumutbar mache. Im Hauptsacheverfahren entschied der Senat hingegen anders und erklärte § 217 StGB auch mit Blick auf Sterbewillige insbesondere wegen Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse nach dem BVerfG die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, die wiederum die Freiheit umfasst, hierbei bei Dritten Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung mache es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Dass sich das Verbot aus § 217 StGB hierbei gar nicht an Suizidwillige richte, ändere daran nichts, da auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, Grundrechte beeinträchtigen können und daher von Verfassungswegen hinreichend gerechtfertigt sein müssen. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Abs. 1 StGB verenge die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit sein Lebensende zu gestalten, verbleibe. Diese Einschränkung der Möglichkeiten assistierter Suizide wirke sich besonders gravierend aus, wenn es zusätzlich an der Bereitschaft von Ärzten mangelt, individuell Suizidhilfe zu leisten: Denn "[O]hne geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe ist der Einzelne sowohl inner- als auch außerhalb eines bestehenden Behandlungsverhältnisses maßgeblich auf die individuelle Bereitschaft eines Arztes angewiesen, an einer Selbsttötung zumindest durch Verschreibung der benötigen Wirkstoffe assistierend mitzuwirken". Sicherlich auch aufgrund der bestehenden Strafbarkeitsrisiken erscheint es kaum verwunderlich, dass die Mehrheit der Ärzte dies wegen der rechtlichen Unsicherheiten ablehnen.
Die Entscheidung des BVerfG ist nicht nur im Hinblick auf das Ergebnis, sondern auch mit Blick auf die konkrete Begründung der Verfassungswidrigkeit als außergewöhnlich zu bewerten. Besonders hervorzuheben ist unter anderem, dass nach Ansicht des BVerfG nicht nur der Adressat einer Strafandrohung durch ein Gesetz in seinen Grundrechten verletzt sein kann (also Suizidförderer), sondern auch ein nicht von der Strafnorm adressierter Dritter (der Suizident selbst), nämlich bereits dann, wenn er in seiner sozialen Interaktion entscheidend auf die Mitwirkung des Normadressaten angewiesen ist. Hier stellt der Senat, anknüpfend an den sog. erweiterterten Eingriffsbegriff fest, dass "auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, Grundrechte beeinträchtigen können (…)". Insgesamt eine Entscheidung, die einem rechtlichen Quantensprung gleichkommt und eine wohl zum Zweck symbolischer Gesetzgebung eingeführte, in vielerlei Hinsicht überdimensionierte Strafnorm, zu Recht für verfassungswidrig erklärt. Dass auch noch nach dieser Entscheidung weiterhin Raum für die Rechtsprechung zum Fall Wittig bleibt, muss endgültig bezweifelt werden. Denn das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete "Grundrecht auf Suizid" umfasst eben gerade auch die Inanspruchnahme von Hilfe beim Suizid. Wird allerdings dem Helfenden ab dem Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit in bestimmten Fällen zugleich eine strafbewehrte Rettungspflicht auferlegt, steht dies mit den skizzierten verfassungsrechtlichen Leitlinien klar in Widerspruch. Es bleibt zu hoffen, dass der nächste vergleichbare Sachverhalt nicht wieder 35 Jahren auf sich warten lässt, bis er den Instanzenzug zum BGH in Strafsachen schafft.