In diese Tradition von Entscheidungen, welche die Selbstbestimmung des Einzelnen am Lebensende zu stärken versuchen, reiht sich nachträglich ein bedeutendes Urteil des BVerwG ein. In diesem Urteil, das methodisch und inhaltlich, massiv kritisiert wurde stellte das Gericht fest, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einem Suizidenten die Erlaubnis zum Besitz und Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Suizids ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen erteilen darf. Dies folge aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, welches das Recht eines unheilbar kranken Menschen umfasse, zu entscheiden, wann und wie er sein Leben beenden will. Unter Berücksichtigung dieses Grundrechts sei § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dahingehend auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung ausnahmsweise dann erlaubt ist, wenn suizidwillige Erwerber sich in einer extremen Notlage befinden. Letzteres "ist der Fall, wenn – erstens – die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führen und nicht ausreichend gelindert werden können […], – zweitens – der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und ihm – drittens – eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht."
Verfassungsrechtler kritisierten in formeller Hinsicht insbesondere, dass das BVerwG die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschritten habe und den eigenen rechtspolitischen Willen an die Stelle des Gesetzgebers gesetzt habe. Gesundheitsminister Jens Spahn wies das BfArM daraufhin an, das Urteil nicht anzuwenden und Anträge von Suizidenten abzulehnen. Dies wurde in der Folge auch so gehandhabt: Alle Anträge auf Erlaubniserteilung wurden von den zuständigen Behörden abgelehnt. Da damals überdies noch unklar war, ob eine Erlaubniserteilung zugleich eine "geschäftsmäßige Förderung" nach § 217 StGB a.F. darstellt, blieb auch für Behördenmitarbeiter ein Rest an Strafbarkeitsrisiko. Jedenfalls dieser Punkt ist mit dem Urteil des BVerfG nun obsolet geworden. Was die Grenzen des Zulässigen jedoch nun sprengen dürfte, ist die Tatsache, dass Herr Spahn auch gegenwärtig, das heißt zeitlich nach und in Kenntnis der neuen Bewertung durch das BVerfG an seiner Linie festhält: auch weiterhin sollen BfArM-Mitarbeiter, so seine Anweisung, Anträge ablehnen. Die Tatsache, dass ein Mitglied der Exekutive, sich über die Judikative hinwegsetzt und eine Behörde anweist, eine Entscheidung der höchsten Instanz der Judikative schlichtweg zu ignorieren, ist wohl im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung, als eines der Prinzipien eines demokratischen Rechtstaates, ein Skandal.