Spätestens[1] nachdem das FG Münster im November 2021 entschieden hatte, dass der Anwendungsbereich des sog. 90 % Einstiegstests des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken sei, wurde mit Spannung erwartet, wie der BFH die Rechtslage bewerten würde. Erfreulicherweise bestätigt der BFH in weiten Teilen die Erwägungen des FG Münster. Die Entscheidung stellt einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar, wenn auch Einzelfragen noch offengeblieben sind und Unsicherheiten fortbestehen.

Der sog. Einstiegstest des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG hat erhebliche Bedeutung für die Gewährung der Betriebsvermögensbegünstigung. Beläuft sich das Verwaltungsvermögen auf mindestens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens, ist dieser Test nicht bestanden und es entfällt die Möglichkeit jeglicher Begünstigung, also nicht nur der Verschonung nach §§ 13a Abs. 1 und 10 ErbStG, sondern auch der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG, die Möglichkeit der Stundung (§ 28 ErbStG) und die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG.

Wie im Steuerrecht nicht unüblich ist der Wortlaut des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (nicht nur beim ersten Lesen) schwer verständlich. Weit überwiegend wurde dieser aber so verstanden, dass bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens ein Schuldenabzug nicht stattzufinden hat.[2] Demgegenüber ermittelt sich der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens durch Saldierung von Aktiva und Passiva. Folge dieses Befunds ist, dass im Rahmen des sog. Einstiegstest ein Bruttowert mit einem Nettowert ins Verhältnis zu setzen ist. Dieses Verständnis des Wortlauts führt bei einer Vielzahl von Fallkonstellationen zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen und öffnet dem Zufall Tür und Tor.[3] So sind beispielsweise stark fremdfinanzierte Unternehmen[4] regelmäßig durch den Einstiegstest von der Betriebsvermögensbegünstigung ausgeschlossen. Besonders problematisch wirkt sich in diesem Zusammenhang der Umstand aus, dass auch Forderungen aus Lieferung und Leistung ungekürzt als Verwaltungsvermögen anzusehen sind.[5]

Nun steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, darüber zu entscheiden, welche Sachverhalte er besteuern möchte und welche Steuersätze er anlegt. Ist aber diese Entscheidung getroffen, hat die Ausgestaltung der Regelungen dem aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot der Folgerichtigkeit zu entsprechen; Zufallsergebnisse sind hiermit keinesfalls vereinbar.

Wenn also § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG, im oben dargelegten Wortsinn angewandt, zu Ergebnissen führt, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Gestalt des Gebots der Folgerichtigkeit nicht genügen, stellt sich die Frage, wie hiermit umzugehen ist. Denkbar sind insoweit drei Lösungsansätze:

  1. Der vorstehende Befund führt zur Annahme eines Verstoßes der Regelung gegen die Vorgaben des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.
  2. Die Anwendung des Einstiegstests wird (lediglich) für bestimmte Sachverhaltskonstellationen eingeschränkt.
  3. Es wird ein Schuldenabzug vorgenommen, um Nettowerte mit Nettowerten zu vergleichen.

Das FG Münster hat sich für den zweiten Weg entschieden und geht davon aus, dass der sog. Einstiegstest im Sinne einer Bereichsausnahme gar nicht erst anwendbar ist, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit i.S.d. §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG dient. Dies ist im Verhältnis zu den sich aus der Annahme der Verfassungswidrigkeit herrührenden Rechtsfolgen auch überzeugend. Entfällt nämlich durch entsprechende Auslegung der Grund zur Annahme der Verfassungswidrigkeit, ist die verfassungskonforme Auslegung der Annahme der Verfassungswidrigkeit vorzugswürdig.

Der BFH möchte es hingegen grundsätzlich bei der Anwendung des Einstiegstests auch in diesen Fallkonstellationen belassen. Bei der Beurteilung der Begünstigungsfähigkeit von Handelsunternehmen aber soll entgegen dem üblichen Verständnis des Wortlauts doch ein Schuldenabzug stattfinden. Dies überzeugt vor allem aus zwei Gründen. Einerseits beseitigt der Schuldenabzug genau die Gründe, die zur Annahme der Gleichheits- und damit Verfassungswidrigkeit führen würden, und ist andererseits geeignet, auch in den betreffenden Sachverhaltskonstellationen weiterhin eine effektive Abwehr missbräuchlicher Inanspruchnahme von Steuerbegünstigungen aufrecht zu erhalten.

Die Entscheidung lässt aber einige bedeutsame Fragen noch unbeantwortet. So bezieht der BFH seine Ausführungen ausdrücklich lediglich auf Handelsunternehmen. Das FG Münster hatte darüber hinaus ausdrücklich auch Produktions- und Dienstleistungsunternehmen mit in seine Überlegungen einbezogen. Das sollte aber nicht irritieren und zum Umkehrschluss verleiten, da Gegenstand der Beurteilung im konkreten Fall eben ein solches Handelsunternehmen war; das Verfahren gab keinen Anlass, auch für weitere Einkunftsarten Stellung zu beiziehen. In der Sache aber gelten die Überlegungen für jegliches gewerblich tätige Unternehmen. Es ist hier w...

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