Leitsatz
Sind im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Schenkungen in der Vergangenheit erbrachte Dienstleistungen zu bewerten, so kommt die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes des Geldes ("Indexierung") nicht in Betracht.
OLG Oldenburg, Urteil vom 30. August 2006 – 5 U 154/05
Sachverhalt
Die Klägerinnen sind die Töchter, der Beklagte ist der Sohn der am ... 2002 verstorbenen Frau H. Der Beklagte – ein ausgebildeter Bäcker- und Konditormeister – arbeitete zunächst, in den Jahren 1962–1972, in der Bäckerei und in der Gastwirtschaft, die von seinen Eltern betrieben wurde, ohne dafür eine entsprechende Vergütung zu erhalten. 1973 pachtete er die Bäckerei und die Gastwirtschaft von seinen Eltern an. Mit Testament vom 26.5.1998 setzte Frau H ihren Sohn zu ihrem Alleinerben ein. Bereits zuvor, mit Übergabevertrag vom 20.4.1995, hatte sie diesem das Grundstück (...) in B. "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" übertragen. Der Beklagte ließ die auf dem Grundstück errichtete Gaststätte und Stallgebäude abreißen und bebaute das Grundstück stattdessen im Jahre 2000 mit einem Wohn- und Geschäftshaus.
Zum Nachlass der Erblasserin gehörten neben Schmuck, Hausrat, Giro- und Sparguthaben insbesondere diverse (...) Erbbaugrundstücke. Der Beklagte holte zum Verkehrswert dieser Grundstücke und des Grundstückes in B Verkehrswertgutachten (...) ein (...).
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht; auf diese Forderungen zahlte der Beklagte insgesamt (...) EUR. Mit der Klage haben die Klägerinnen weitergehende erbrechtliche Ansprüche verfolgt (...). Zudem seien Schenkungen der Erblasserin zu berücksichtigen: Diese habe dem Beklagten das Betriebsgrundstück in B ... unentgeltlich zugewendet, das zum Zeitpunkt der Schenkung einen Wert von 500.000 EUR gehabt habe. (...) Der Beklagte hat die Wertangaben der Beklagten bestritten. (...)
Bei der Übertragung des Betriebsgrundstückes (...) könne von einer Schenkung keine Rede sein. Dieses Grundstück, das lediglich 319.000 EUR wert gewesen sei, habe er zur Abgeltung der seinen Eltern geleisteten Dienste erhalten. Auch habe er erhebliche finanzielle Mittel in den Umbau bzw. die Renovierung der Gaststätte gesteckt, für die er ebenfalls einen Ausgleich habe bekommen sollen. Die vereinbarten Pachtzinsen habe er bis zur Übertragung des Betriebsgrundstückes geleistet. (...)
Aus den Gründen
Die Berufung der Klägerinnen hat teilweise in der Sache Erfolg. (...) Darüber hinaus steht den Klägerinnen gegen den Beklagten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB (...) zu.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB setzt eine Schenkung der Erblasserin iSv § 516 BGB innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall voraus. Dazu bedarf es objektiv einer Bereicherung des Vertragspartners aus dem Vermögen des Erblassers und der Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung – wobei es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Zuwendung ankommt (Palandt/Edenhofer, aaO, § 2325 Rn 7 mwN).
Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Vertragsparteien, Leistung und Gegenleistung zu bewerten und danach festzulegen (OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 263, 264; FamRZ 1998, 516, 516; Palandt/Edenhofer, aaO, § 2325 Rn 19). Dabei sind die Parteien nicht gehindert, bereits in der Vergangenheit erbrachte Leistungen als Gegenleistungen anzuerkennen (OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 263, 264). Dies gilt jedenfalls dann, wenn Dienstleistungen zunächst nicht unentgeltlich, sondern in der erkennbaren Absicht künftiger Entlohnung erbracht worden sind (dazu Keim, FamRZ 2004, 1081, 1083 f; MüKo-Kollhosser, aaO, § 516 Rn 21; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1518, 1519) – was etwa auch dann anzunehmen ist, wenn die Dienste aufgrund des Versprechens künftiger Erbeinsetzung geleistet worden sind (vgl. BGH NJW 1965, 1224). Behauptet der Zuwendungsempfänger eine derartige Vereinbarung mit dem Erblasser, hat er zunächst substanziiert die von dem Pflichtteilsberechtigten behauptete Unentgeltlichkeit zu bestreiten (BGH NJW-RR 1996, 705, 706). Danach ist hier in der Übertragung des Grundstückes von der Erblasserin auf den Beklagten mit Vertrag vom 20.4.1995 eine (gemischte) Schenkung zu sehen.
Der Übergabevertrag vom (...) enthält keine Hinweise auf Gegenleistungen des Beklagten. Vielmehr beschränkt er sich im Wesentlichen auf die Vereinbarung der Grundstücksübertragung, die im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgen soll. Diese Fassung des Übergabevertrages hindert die Annahme einer entgeltlichen Zuwendung jedoch nicht (BGH NJW 1995, 1349, 1350) – worauf bereits das LG zu Recht hingewiesen hat. (...) Sind (...) lediglich die Dienstleistungen des Beklagten als Gegenleistungen für die Übertragung des Grundstückes anzusehen, ist eine gemischte Schenkung zu vermuten, da Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen. (...) Der Wert der von dem Beklagten geleisteten Dienste bleibt hinter dem Grundstückswert deutlich zurück.
Wäre die Übertragung des Gaststättengrundstückes unterblieben, hätte der ...