Welche Verwaltungsanordnungen durch den Erblasser getroffen wurden, welche Form der Verteilung des Nachlasses durch den Erblasser gewünscht war und welche Kompetenzen dem Testamentsvollstrecker im Einzelnen zustehen ist sodann durch Auslegung der vom Erblasser getroffenen letztwilligen Verfügung zu ermitteln. Im Rahmen der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug zu gewähren, bei der die letztwillige Verfügung Erfolg haben kann, § 2084 BGB. Zur Ermittlung des Inhalts der einzelnen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Urkunde der letztwilligen Verfügung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Textes der Verfügung heranzuziehen und zu würdigen. Die Umstände können vor oder auch nach der Errichtung der letztwilligen Verfügung liegen. Dazu gehört insbesondere auch das gesamte Verhalten des Erblassers, wie etwa seine Äußerungen oder Handlungen.
Die Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile ist dem Testamentsvollstrecker danach jedenfalls immer dann verboten, wenn der Erblasser dahingehende Anordnungen getroffen hat. Fraglich erscheint jedoch, ob in der bloßen Aussetzung eines Vorausvermächtnisses im Hinblick auf die Anteile einer Kapitalgesellschaft eine solche die Veräußerung ausschließende Anordnung gesehen werden kann.
Die Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Wege des Vorausvermächtnisses entspricht gängiger Praxis. Regelmäßig soll damit eine von den Erbanteilen abweichende Stimmenverteilung in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft erreicht werden. Hierdurch wiederum sollen nach Möglichkeit klare Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung geschaffen werden, um das Unternehmen auch bei Streitigkeiten unter den Erben handlungsfähig zu halten und Entscheidungsfindungen zu ermöglichen. Der Wille zur Zuwendung bestimmter Anteile an bestimmte Erben ist hingegen damit in aller Regel nicht verbunden. Insofern ergibt sich ein Unterschied zur zielgerichteten Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes im Wege des Vorausvermächtnisses. Mit Letzterer soll nämlich sichergestellt werden, dass eine bestimmte Person einen ganz bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag auch tatsächlich erhält. Diese Zielsetzung wird mit der Anordnung von Vorausvermächtnissen in Bezug auf Anteile an einer Kapitalgesellschaft aufgrund der oben dargestellten andersgerichteten Interessenlage regelmäßig nicht mit der gleichen Intensität verfolgt.
Das zeigt, dass es dem Erblasser in solchen Konstellationen mit der Aussetzung der Vorausvermächtnisse regelmäßig weniger um die konkrete Vermögensverteilung, als mehr um die Schaffung einer für die Fortführung der Unternehmen praktikablen Situation geht. Damit muss aber auch die Auslegung einer letztwilligen Verfügung in einer solchen Konstellation regelmäßig dazu führen, dem Testamentsvollstrecker das Recht zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile notfalls gegen den Willen der Erben zuzugestehen, freilich nur, wenn die Umstände dies auch tatsächlich gebieten. Denn der Testamentsvollstrecker genießt als Person und Institution das besondere Vertrauen des Erblassers. Bei der Verwaltung von Anteilen an Kapitalgesellschaften rückt er – wie bereits gesagt – im Prinzip in die Stellung des Unternehmers ein.
Nimmt man allerdings eine solche Unternehmerstellung des Testamentsvollstreckers an, müssen ihm auch besondere Rechte zugestanden werden, "um im Notfall die Reißleine ziehen zu können". Denn der Erbe vermag sein Recht nicht immer in der gleichen Weise so selbst zu schützen, wie es der Erblasser hätte tun können. Das wird etwa dann deutlich, wenn die zuvor in einer Hand gehaltenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft nunmehr in verschiedenen Händen liegen. "Blockiert" sodann nur einer der Erben einen Verkauf des Unternehmens, ist ein solcher praktisch unmöglich. Denn die meisten der Investoren haben nur ein Interesse an einem Unternehmenserwerb, wenn sie auch tatsächlich 100 % der Gesellschaftsanteile übernehmen können.
Für die im Rahmen dieses Beitrags behandelte Fallgestaltung bedeutet das, dass dem Testamentsvollstrecker in Krisen des Unternehmens im Zweifel die Möglichkeit zugestanden werden muss, entgegen ausgesetzter Vorausvermächtnisse die im Nachlass gehaltenen Unternehmensanteile zu veräußern. Diese Befugnis ist freilich nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen gewissermaßen als Ultima Ratio anzunehmen.