Es bleibt die Frage ob sich nicht im Hinblick auf die besonderen liechtensteinischen Pflichtteilsvorschriften ein anderes Ergebnis ergibt. Schenkungen an Stiftungen führen nach liechtensteinischem Recht nur dann zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen, wenn sie maximal 2 Jahr vor dem Tod des Stifters getätigt wurden. Auch wenn der Stifter deutscher Staatsangehöriger ist und daher deutsches Recht Erbstatut ist (Art. 10 Abs. 1 S. 1 IPRG), so erklärt das Internationale Erbrecht Liechtensteins nur dann deutsches Sachrecht für anwendbar, wenn sich ein solcher Anspruch auch aus dem Recht ergibt, das auf den Erwerb des Vermögens durch die Stiftung anwendbar ist (Art. 29 Abs. 5 IPRG). Dies ist aus liechtensteinischer Perspektive zumindest im Fall einer Stiftungserrichtung unter Lebenden grundsätzlich liechtensteinisches Recht als Stiftungsstatut, dass damit faktisch gewählt werden kann. Dies hat zur Folge, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bereits nach 2 Jahren verjährt ist. Besteht ein statuarisches Widerrufsrecht beginnt der Fristenlauf allerdings erst mit dem Tod des Stifters.
Art. 29 Abs. 5 IPRG wurde vom liechtensteinischen Gesetzgeber bewusst geschaffen, um liechtensteinische Stiftungen als Instrument der Asset Protection gegen Pflichtteilsansprüche attraktiv zu machen. Die Norm soll damit bewusst eine Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts ermöglichen. Ob dies einen Verstoß gegen den deutschen Ordre Public darstellt, ist fraglich. Die Rechtsprechung hat derartige Fälle bislang nicht als Verletzung des O. P. eingestuft. Der BGH hat noch 1993 einen solchen Verstoß nicht einmal erwogen. Nicht zuletzt das BVerfG hat jedoch darauf hingewiesen, dass das Pflichtteilsrecht Ausfluss durch Art. 6, 14 GG geschützter Rechtsgüter ist. Nach heute wohl hM gehören das Pflichtteils- und das Pflichtteilsergänzungsrecht zum Kernbestand der deutschen Rechtsordnung und können daher nicht durch die Wahl eines anderen Erbstatuts abbedungen werden. Dies soll zumindest dann gelten, wenn der entrechtete Erbe ansonsten der Allgemeinheit zur Last fallen würde.
In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass aus deutscher Perspektive die Geltung des Erbstatuts und damit die Geltung des deutschen Pflichtteilsrechts zwingend ist. Dies spielt jedoch faktisch eine untergeordnete Rolle, da der deutschen Pflichtteilsergänzungsanspruch nur vor einem liechtensteinischen Gericht geltend gemacht werden kann. Die Vollstreckung eines deutschen Urteils in Liechtenstein ist in Ermangelung eines zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein bestehenden Vollstreckungsabkommen faktisch unmöglich. Auch eine statuarische Anerkennung im Einzelfall, wie § 328 ZPO sie erlaubt, ist in Liechtenstein ausgeschlossen, da Art. 52 EO die Anerkennung eines ausländischen Urteils in Liechtenstein von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig macht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein liechtensteinisches Gericht wird aber auf der Anwendung des liechtensteinischen IPR beharren und die Frage dem Stiftungs- und nicht dem Erbstatut zuordnen.