Grenzüberschreitende Architekturdienstleistungen in der Mehrwertsteuer
Dem schweizerischen und liechtensteinischen Baugewerbe, das jeweils mit über 4 % bzw. 5 % einen nicht unwesentlichen Anteil an der Bruttowertschöpfung generiert, kommt nicht nur in Kunst, Kultur und Gesellschaft, sondern auch wirtschaftlich eine hohe Bedeutung zu. Die Schweiz und Liechtenstein verfügen über zahlreiche architektonisch wertvolle private und im Besonderen öffentliche Bauten. Liechtenstein legt auch in der Förderung und der (universitären) Ausbildung (mit 2 von insgesamt 6 angebotenen Studiengängen der Universität Liechtenstein) in der Architektur Schwerpunkte.
In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, dass zum einen schweizerische sowie liechtensteinische Architekturdienstleistungen auch grenzüberschreitend gefragt sind und zum anderen Liechtenstein und die Schweiz auch für ausländische und oftmals deutsche Architekten im Besonderen im Kontext der im Rahmen von internationalen Ausschreibungen vergebenen Projekte einen nicht uninteressanten Markt darstellen.
Grenzüberschreitende Leistungen zwischen Deutschland und der Schweiz bzw. Liechtenstein
Grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz bzw. Liechtenstein bedürfen mangels eines grenzüberschreitend harmonisierten Mehrwertsteuerrechts stets einer Beurteilung aus deutscher als auch aus liechtensteinischer bzw. schweizerischer Perspektive.
Aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen verfügen das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz nicht nur über weitgehend gleichlautende mehrwertsteuerrechtliche Bestimmungen, sondern bilden auch ein gemeinsames Zollgebiet und mehrwertsteuerliches Inland. Die nachfolgenden Fallkonstellationen gelten daher auch im Verhältnis zwischen Liechtenstein und Deutschland.
Architekturdienstleistungen: Dienstleistungen in Zusammenhang mit einem Grundstück
Als Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück stehen, gelten nach dem Recht der Schweiz die
- Vermittlung, Verwaltung, Begutachtung und Schätzung des Grundstücks,
- Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Bestellung von dinglichen Rechten am Grundstück,
- Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder der Koordinierung von Bauleistungen wie Architektur-, Ingenieur- und Bauaufsichtsleistungen,
- Überwachung von Grundstücken und Gebäuden sowie Beherbergungsleistungen.
Aus deutscher Sicht stehen insbesondere folgenden Leistungen in Zusammenhang mit einem Grundstück:
- sonstige Leistungen der in § 4 Nr. 12 UStG bezeichneten Art (u.a. Vermietung und Verpachtung),
- sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Grundstücken,
- sonstige Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung, Koordinierung oder Ausführung von Bauleistungen dienen.
Architekturdienstleistungen gehören dabei wie auch Leistungen von Bau- und Vermessungsingenieuren zu den sonstigen Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung, Koordinierung oder Ausführung von Bauleistungen dienen (3a.3 Abs. 8 UStAE). Voraussetzung ist dabei, dass die Leistung in engem Zusammenhang mit einem ausdrücklich bestimmten Grundstück erbracht wird, d.h. dass bspw. bei Ingenieur- oder Planungsleistungen der Standort des Grundstücks zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung bereits feststeht.
Architekturdienstleistungen aus der Schweiz nach Deutschland: Verhältnis B2B
Nach dem Recht der Schweiz
Die Leistung ist in der Schweiz steuerbar, wenn der Ort der Leistung in der Schweiz liegt. Für Dienstleistungen bestimmt sich der Ort der Leistung im Grundsatz nach dem Bestimmungslandprinzip (Art. 8 Abs. 1 MWSTG). Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück bestimmt sich der Leistungsort abweichend vom Grundsatz nach dem Belegenheitsort des Grundstücks mit dem die erbrachte Dienstleistung in Zusammenhang steht. Steht die Dienstleistung in Zusammenhang mit einem in Deutschland belegenen Grundstück, liegt der Ort der Dienstleistung in Deutschland. Die Leistung gilt in der Schweiz als Dienstleistungsexport und ist nicht steuerbar.
Perspektive Deutschlands
Aus der Perspektive des deutschen Leistungsempfängers erbringt der schweizerische Dienstleister in Deutschland ebenfalls eine sonstige Leistung im Inland gegen Entgelt und im Rahmen seines Unternehmens (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), da auch aus deutscher Sicht eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG vorliegt, für die sich abweichend vom Grundsatz (§ 3a Abs. 2 UStG) der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG ebenfalls nach dem Belegenheitsort des Grundstücks mit dem die erbrachte Dienstleistung in Zusammenhang steht, bestimmt.
Liegen die Voraussetzungen einer Steuerpflicht in Deutschland vor, ist eine Registrierung beim zuständigen Finanzamt (für schweizerische und liechtensteinische Unternehmer: Finanzamt Konstanz) verpflichtend. Ausländische Unternehmen (§ 13b Abs. 7 UStG) müssen sich in Deutschland registrieren lassen, wenn sie Umsätze erbringen, deren Leistungsort in Deutschland liegt und für die die Steuerschuld nicht auf den Leistungsempfänger übergeht.
Eine Registrierungspflicht besteht demnach nicht, wenn ein Fall des Reverse-Charge nach § 13b UStG vorliegt. Die Voraussetzungen gemäss § 13b Abs. 2, Abs. 5 UStG liegen vor, wenn sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 UStG im Inland befindet und es sich um einen im Ausland (EU-Ausland oder Drittstaat) ansässigen Leistungserbringer handelt und die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 13b Abs. 1 UStG zugleich nicht erfüllt sind. Zu beachten ist, dass es auch dann zu einer Umkehr der Steuerschuld (zum deutschen Leistungsempfänger) kommt, wenn dieser die Leistung für den nicht unternehmerischen Bereich (bspw. für das Privathaus) bezieht (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG).
Im Ergebnis wechselt die Steuerschuldnerschaft vom schweizerischen Dienstleister auf den deutschen Leistungsempfänger. Die Rechnung ist vom schweizerischen Dienstleister netto auszustellen und idealerweise mit dem Hinweis "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" zu versehen. Zugleich steht dem deutschen Leistungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug zu.
Architekturdienstleistungen aus der Schweiz nach Deutschland: Verhältnis B2C
Nach dem Recht der Schweiz
Aus der Perspektive eines schweizerischen Dienstleisters ergibt sich zur B2B-Konstellation kein Unterschied. Der Leistungsort richtet sich auch im Verhältnis B2C gemäß Art. 8 Abs. 2 Bst. f) MWSTG nach dem Belegenheitsprinzip des Grundstücks (Deutschland). Die sonstige Leistung ist daher in der Schweiz nicht steuerbar.
Perspektive Deutschlands
Aus deutscher Perspektive liegt wie im B2B-Fall eine sonstige Leistung gegen Entgelt vor, die im Rahmen eines Unternehmens erbracht wird. Der Leistungsort bestimmt sich auch für B2C-Fälle nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG, wonach der Leistungsort am Ort des Grundstücks (Deutschland) liegt.
Der schweizerische Dienstleister ist verpflichtet, sich in Deutschland mehrwertsteuerlich zu registrieren und eine Rechnung brutto mit dem Ausweis deutscher Mehrwertsteuer auszustellen (grds. 19 %). Ein Übergang der Steuerschuld auf den deutschen Leistungsempfänger nach § 13b UStG scheidet im Verhältnis B2C generell aus. Ausgenommen sind Leistungen an einen Unternehmer für dessen nicht unternehmerischen Bereich. Die mehrwertsteuerliche Registrierung ist für schweizerische Unternehmer beim Finanzamt Konstanz vorzunehmen.
Verfahrensrechtliche Alternative zur EU-Mehrfachregistrierung
Erbringt der schweizerische Dienstleister entsprechende Leistungen auch an nicht unternehmerische Empfänger in einem oder in mehreren anderen EU-Mitgliedsstaaten und wird dort jeweils registrierungspflichtig, kann er zum One-Stopp-Shop-Verfahren (Nicht-EU/NON-EU-Scheme) nach § 18i UStG optieren, womit er für alle EU-Mitgliedstaaten seine Registrierung und die mit dieser einhergehende Pflichten in einem EU-Mitgliedsstaat bündeln kann. Eine mehrfache Registrierung in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten wird somit vermieden.
Werden bspw. Planungsleistungen an Nicht-Unternehmer in Deutschland, Frankreich und Spanien erbracht, kann die dann in jedem der 3 Staaten entstehende Registrierungspflicht vermieden werden, indem sich der leistungserbringende Unternehmer einen EU-Mitgliedsstaat aussucht, über den er alle EU-B2C-Umsätze (hier: Deutschland, Frankreich und Spanien) abwickeln kann. Im Fall der Wahl Deutschlands würden so auch die Umsätze für Frankreich und Spanien in Deutschland deklariert und abgeführt werden können. Eine Registrierung in Frankreich und Spanien entfällt.
Nachteilig ist, dass das OSS-Verfahren nur die Deklaration und die Entrichtung der Umsatzsteuer er-fasst, nicht aber die Verrechnung oder den Ausgleich der Vorsteuer. Diese muss weiterhin in jedem Staat – bspw. bei dem Bezug von Vorleistungen von EU-Tochterunternehmen – einzeln über das Vorsteuervergütungsverfahren zurückgeholt werden.
Architekturdienstleistungen aus Deutschland in die Schweiz: Verhältnis B2B
Perspektive Deutschlands
Aus der Perspektive eines deutschen Dienstleisters setzt eine steuerbare Leistung stets voraus, dass sich der Ort der Leistung im Inland befindet. Im B2B-Verhältnis richtet sich dieser ebenfalls nach dem Belegenheitsprinzip und liegt im Fall von in der Schweiz gelegenen Grundstücken nicht im Inland. Die Dienstleistung ist in Deutschland nicht steuerbar.
Nach dem Recht der Schweiz
Aus der Perspektive der Schweiz ist die Dienstleistung spiegelbildlich im Inland steuerbar, da sich der Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 2 Bst. f) MWSTG im Inland befindet. Für den deutschen Dienstleister stellt sich somit die Frage nach einer mehrwertsteuerlichen Registrierung in der Schweiz. Die Frage nach einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft – ähnlich § 13b UStG – stellt sich vorliegend nicht, da diese u.a. nur für Dienstleistungen greift, deren Leistungsort sich nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG bestimmt.
Da der deutsche Dienstleister weder ausschließlich von der Steuer ausgenommene oder befreite Leistungen oder Dienstleistungen, deren Ort sich nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG/FL in der Schweiz befindet, erbringt, ergibt sich eine Registrierungspflicht nach den allgemeinen Regelungen. Demnach ist ein ausländischer Unternehmer steuer- und registrierungspflichtig, wenn seine weltweit erzielten und nach dem Recht der Schweiz nicht steuerbefreiten Umsätze mehr als 100.000 CHF pro Jahr betragen. Für gewöhnlich sind daher deutsche Unternehmer ab dem ersten Schweizer Franken Umsatz in der Schweiz obligatorisch steuerpflichtig. In diesem Fall ist der deutsche Dienstleister verpflichtet, einen in der Schweiz oder in Liechtenstein niedergelassenen Fiskalvertreter bzw. Steuerstellvertreter zu ernennen und quartalsweise Mehrwertsteuerabrechnungen einreichen.
Im Ergebnis schuldet der deutsche Dienstleister die Schweizer Mehrwertsteuer. Zugleich steht ihm eine Neutralisation im Wege des Vorsteuerabzugs zu.
Architekturdienstleistungen aus Deutschland in die Schweiz: Verhältnis B2C
Nach dem Recht der Schweiz
Aus der Perspektive der Schweiz liegt weiterhin eine Dienstleistung vor, deren Leistungsort sich nach dem Belegenheitsprinzip bestimmt und nach Art. 8 Abs. 2 Bst. f) MWSTG in der Schweiz liegt. Für den deutschen Leistungserbringer stellt sich damit wiederum die Frage nach einer Registrierungspflicht in der Schweiz nach den gleichen Kriterien wie im B2B-Fall. Für gewöhnlich sind daher nicht befreite Unternehmer ab dem ersten Schweizer Franken Umsatz obligatorisch steuerpflichtig. Eine Prüfung der Bezugsteuer scheidet ebenfalls aus.
Perspektive Deutschlands
Gleichlaufend bestimmt sich aus der Perspektive eines deutschen Dienstleisters der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nach dem Belegenheitsprinzip (Schweiz). Die sonstige Leistung ist in Deutschland nicht steuerbar.
Im Ergebnis schuldet der deutsche Dienstleister die Schweizer Mehrwertsteuer. Zugleich steht ihm eine Neutralisation im Wege des Vorsteuerabzugs zu. Es ergeben sich keine Abweichungen zum B2B-Fall.
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