Leitsatz

Nach neuem Recht ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte gemäß § 105 FamFG aus der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 343, 344 FamFG.

OLG Hamm, Beschluss vom 2. September 2010 – I-15 W 448/10

Sachverhalt

Die Erblasserin, die ihren letzten Wohnsitz in H hatte, war österreichische Staatsangehörige. Durch den angefochtenen Beschluss hat es das Amtsgericht abgelehnt, eine notariell beglaubigte Erbausschlagungserklärung der durch ihre Eltern vertretenen Beteiligten vom 27.5.2010 entgegenzunehmen, weil es seine internationale Zuständigkeit nicht für gegeben hält.

Aus den Gründen

Die gemäß den §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten ist begründet. Das Amtsgericht hat die Entgegennahme der Erbausschlagungserklärung zu Unrecht abgelehnt. Die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Gelsenkirchen folgt aus den §§ 105, 342 Abs. 1 Nr. 5, 343 Abs. 1 FamFG.

Nach der neuen Vorschrift des § 105 FamFG, die nunmehr die internationale Zuständigkeit u. a. für Verfahren in Nachlasssachen regelt, ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte aus der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 343, 344 FamFG; der Gesetzgeber hat damit die früher in der Rechtsprechung angewandte "Gleichlauftheorie" aufgegeben, wonach die deutschen Gerichte für Nachlasssachen grundsätzlich nur bei Anwendung deutschen Sachrechts als zuständig angesehen wurden (Keidel/Engelhardt, FamFG, 16. Aufl., § 105, Rn 3). Ein deutsches Nachlassgericht, das nach den §§ 343, 344 FamFG örtlich zuständig ist, ist zugleich auch international zuständig. Die Regeln über die örtliche Zuständigkeit sind also insoweit doppelfunktional (Keidel/Engelhardt aaO, § 105, Rn 2).

Bei der Entgegennahme einer Erbausschlagungserklärung handelt es sich gemäß § 342 Abs. 1 Nr. 5 FamFG um eine Nachlasssache im Sinne der §§ 343, 344 FamFG. Da die Erblasserin zur Zeit des Erbfalls ihren Wohnsitz in H hatte, ist gemäß den §§ 105, 343 Abs. 1, 1. Hs. FamFG das Amtsgericht Gelsenkirchen örtlich und international zuständig. Dass die Erblasserin Ausländerin war, ist insoweit unerheblich (vgl. Keidel/Zimmermann aaO, § 343, Rn 37).

Ob das Amtsgericht Gelsenkirchen für die Entgegennahme der notariell beglaubigten Ausschlagungserklärung auch nach § 344 Abs. 7 FamFG zuständig ist, weil auch die Ausschlagende ihren Wohnsitz in H hat (vgl. hierzu Keidel/Zimmermann aaO, § 344, Rn 48; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 344, Rn 16) bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung.

Der Notar wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass gemäß § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB die Einholung einer Genehmigung des Familiengerichts erforderlich sein könnte.

Mitgeteilt von Richter am OLG Helmut Engelhardt, Hamm

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