Anmerkung zu dem BGH-Beschluss vom 14. November 2018 – XII ZB 107/181
Patientenverfügungen bewegen tausende ältere und jüngere Menschen in Deutschland. Viele versuchen hier mit ihren juristischen Beratern und ggf. auch mit ihren Ärzten möglichst gute und haltbare Regelungen für den Krisenfall zu schaffen. Dabei versuchen dann Juristen, sich für ihre Mandanten verständlich an Ärzte als Adressaten dieser Verfügungen zu wenden. Das ist ersichtlich nicht ganz einfach. Man mache sich nur einmal klar, wie Juristendeutsch auf Nichtjuristen typischerweise wirkt. Da haben wir sicherlich alle unsere Erfahrungen machen dürfen. Da überrascht es nicht, dass sich der BGH innerhalb kurzer Zeit bereits das dritte Mal mit dem Thema Patientenverfügung befasst hat.
Nach der ersten, vielfach diskutierten Entscheidung des BGH vom 6.7.2016 (XII ZB 61/16; siehe dazu: Verf., ZErb 2016, 337 f. Müller, ZEV 2016, 605 ff; Seibl, NJW 2016, 3277 ff) hatte der BGH zwischenzeitlich bereits wesentlich praxisgerechter beschlossen (BGH-Beschl. V. 8.2.2017, XI ZB 604/15; dazu Verf. AnwZert ErbR 6/2017, 1 f).
Nun hat sich der XII. Senat unseres höchsten Zivilgerichts in einem Beschluss vom 14.11.2018 erneut mit dem Thema befasst. Der BGH ist offensichtlich mit Blick auf die Praxis noch klarer und deutlicher geworden. In seinem Beschluss aus Februar 2017 (BGH-Beschl. v. 8.2.2017 – Az. XII ZB 604/15, Rn 21) hieß es noch etwas unbestimmt:
"Als eine der Schriftform unterfallende Erklärung muss die Patientenverfügung primär nach ihrem schriftlich niedergelegten Inhalt ausgelegt werden. Dabei ist der Gesamtzusammenhang der Urkunde zu berücksichtigen und festzustellen, ob sich daraus insgesamt ein hinreichend eindeutig zu bestimmender Patientenwille ergibt."
Das wurde als erfreulicher Hinweis auf die Andeutungstheorie (§ 2084 BGB) verstanden (Verf. AnwZert ErbR, 6/2017, 1). Nun sagt es der BGH ganz klar. Die ersten beiden Leitsätze des neuen Beschlusses lauten dazu erfreulicherweise sehr deutlich:
"a) Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748). "
b) Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.“
Das entspricht genau betrachtet der Rechtslage vor der BGH-Entscheidung aus Juli 2016. Die zwischenzeitlich entstandene erhebliche Verunsicherung sollte damit endgültig beseitigt sein.
In der Praxis sind für Patientenverfügungen zahlreiche "Formulierungsbeispiele" dazu entwickelt worden, wie eine "richtige", tragfähige Patientenverfügung auszusehen hat. In dem aktuellen Beschluss hebt der BGH dazu hervor (aaO, Rn 19), neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwillige oder die er untersage, verlange der Bestimmtheitsgrundsatz auch, dass die Patientenverfügung erkennen lasse, ob sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen solle. Eine Patientenverfügung sei nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lasse, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Der BGH betont dazu erfreulicherweise einmal mehr (Rn 20), dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung bei alledem nicht überspannt werden dürfen. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibend festlege, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wolle und was nicht. Maßgeblich sei nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahne und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtige. Insbesondere könne nicht ein gleiches Maß an Präzision verlangt werden, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden könne.
Nicht ausreichend seien, so der BGH ausdrücklich (Rn 21), allgemeine Anweisungen wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten sei. Auch die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthalte jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die erforderliche Konkretisierung könne sich im Einzelfall aber auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifi...